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Literaten als Bomben werf er?

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Bislang war das Schriftstellerhandwerk eine friedliche Angelegenheit für Leute mit Tinte und viel Sitzfleisch. Das ist jetzt vorbei, denn aus Paris kommen beängstigende Nachrichten. Es begann mit Flugblättern und Wandinschriften gegen die „schurkische und korrupte“ Institution der Academie Goncourt. Den zehn Juroren war ein Schicksal zugedacht, ähnlich jenem der zehn kleinen Negerlein: „Versenkt euch, sonst werden wir euch versenken!“ Als Pointe explodierte dann neben der Gasleitung einer Jurorin ein Molo-tow-Cocktail. In den Wohnungen von zwei Literaturkritikern kam es zu Brandstiftungen. In Schmähbriefen und Telephonanrufen bezeichneten die Amateurgangster ihre Anschläge bescheiden als „erste Warnung“.

Die Polizei entdeckte als Urheber einige recht zwielichtige Figuren, daunter den rechtsradikalen Romancier Jean-Edern Hallier, der neuerdings linksaußen Posten bezogen und vergeblich gehofft hatte, den Goncourt-Preis zu erhalten. Dem Anarchisten und Schriftsteller Jack Thieuloy konnte die Teilnahme an jenem Trupp nachgewiesen werden, der den Juror Michel Tournier mit Tomaten-Ketchup übergoß. In Thieu-loys Wohnung fanden sich als Füllfedern getarnte Miniaturpistolen. Ihnen kommt symbolische Bedeut-tung zu, zeigen sie doch, wie gefährlich das Gewerbe sein kann, wenn sich Worte in Geschosse verwandeln.

Hallier, Karl Moor der Pariser literarischen Subkultur, leitet einen genossenschaftlichen Verlag und fordert alle Mitschreiber auf, das Verlagswesen in seiner bürgerlichen Form zu zerstören. Sein erklärtes Ziel sind 20 statt der üblichen 10 Prozent Anteile vom Ladenpreis, was selbst einen Thomas Mann überraschen würde, und eine Kontrolle der Verlagsfinanzen. Die Frage bleibt, ob die gewalttätigen Methoden auf dem Weg zu diesem Ziel ernst gemeint sind, * oder den literarischen Wegelagerern vor allem als kostenlose Reklame durch Polizeiberichte dienen, ufrl'Ihren MttrTttariteil^ißgen-über den etablierten Verlagen wie Grasset oder Gallimard zu verbessern. Mit Tinte beschriebenes Papier blieb bislang geduldig, und Tomaten-Ketchup auf ungeliebten Köpfen bildet nur eine Übergangslösung, bis Blutstropfen die Schar der Analphabeten in die Buchhändlungen treiben ...

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