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Lucona

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Bei jedem Skandal, der in Osterreich gerade frisch serviert wurde, bin ich in Wien gefragt worden: „Sowas wäre doch in Deutschland unmöglich — oder?“ Darauf gab es dann immer wieder nur die gleiche Antwort: „So viele Skandale wie Ihr haben wir leicht. Aber wir lassen den Mist nicht so lange offen zum Himmel stinken, sondern räumen ihn schneller weg.“

Eure Skandalthemen dagegen sind als rekordverdächtige Dauerbrenner Weltspitze. Was mir nie völlig klargeworden ist, liebe Nachbarn, ist die Frage, ob Ihr wirklich unter diesen Skandalen politisch leidet. Oder seid Ihr ein Volk von solchen Masochisten, die dieses ständige Leiden begierig genießen?

Manchmal habe ich schon den Verdacht, daß man in Osterreich nichts so fürchtet wie klare Verhältnisse. Aber das ist wahrscheinlich die typisch deutsche Überheblichkeit.

Für uns Ausländer aus einem fernen bayerischen Kulturkreis sind österreichische Skandale wie zum Beispiel jetzt die „Causa Lucona“ geradezu exotische Phänomene. Bei uns passieren auch Skandale, eher mehr. Manche kommen auf, andere nicht, manche werden vertuscht, andere heruntergespielt oder offensiv verteidigt. A her nach einigen Wochen, spätestens einigen Monaten ist wieder Ruhe: Der Skandal ist aufgedeckt, wird vor Gericht abgehandelt, oder er ist unter dem Teppich. Kopf ab oder Hut drauf.

Nur in Osterreich gibt es diese Dauerbrenner des politischen Masochismus: Jahrelange Verdächtigungen und Beschuldigungen ohne Anklage und ohne Rehabilitierung, jahrelange Spekulationen, öffentliche Verurteilungen nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Bei politischen Skandalen in der Bundesrepublik wird auch meist zuerst eine empörte Fahndung von den jeweils Regierenden ausgelöst: natürlich nicht nach den Tätern, sondern nach den undichten Stellen und den „Verrätern“. Aber der Druck der öffentlichen Meinung reicht dann meist aus, um entweder den Schuldigen zum Rücktritt zu bewegen oder den Kanzler beziehungsweise die Partei zu veranlassen, aus Opportunismus einen entlarvten Gauner politisch schnell fallenzulassen. Und dann unpolitisch zu versorgen.

Was österreichische Skandale so einzigartig macht, ist die Tatsache, daß die Freude am halb juristischen, halb politischen und immer journalistischen Kätz-und-Maus-Spiel normalerweise mindestens sieben Jahre anhält. Laßt jetzt nur den ,JFall Lucona“ nicht zu schnell gar werden, sondern mit wenig Fett und etwas Wasser auf kleiner Flamme noch lange dünsten!

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