Die in Bozen erscheinenden „Dolomiten" sind um manches zu beneiden, am meisten aber um ihre „Literarische Beilage", das Werk des Wissenschaftlers, Literaten und Erziehers Hermann Eichbichler, der seit bald dreißig Jahren bemüht ist, seinem Land ein höheres Sprach- und Kulturbewußtsein zu vermitteln.
Nun hat der Innsbrucker Germanist Eugen Thurnher eine Auswahl aus Eichbichlers Schaffen weiteren Kreisen zugänglich gemacht. In dem hervorragend eingeleiteten Bändchen begegnen wir Goethe, Hölderlin, Schlegel, Uhland, Rückert, Eichendorff, auch Grillparzer, Platen, der Droste, Gottfried Keller natürlich und Conrad F. Meyer, dann Nietzsche, Hesse, Carossa, Hofmannsthal, Rilke, Bergengruen, Benn, auch Weinheber und Fried rich Georg Jünger, sogar Reiner Kunze und Eva Lubinger, die in Tirol ansässig ist.
Wertvoll an dieser Anthologie sind ihre Interpretationen, mit denen Eichbichler der Oberflächlichkeit, Sensationsgier und Eitelkeit unserer Zeit entgegentritt, ihr hoher ethischer Sinn, der auch italienische Dichter-Philosophen wie Tommaso Campanella und Giordano Bruno zur Deutung heranzieht, sowie die Ansicht des Autors, daß alles Leidvolle des Lebens am besten durch die Kunst zu überwinden sei, durch den „farbigen Abglanz" und jene magischen Kräfte, die zu innerem Aufruhr und vielleicht zur Wandlung zu führen vermögen.
GEDICHTE SPRECHEN ZU UNS. Von Hermann Eichbichler. Herausgegeben und eingeleitet von Eugen Thurnher. Verlagsanstalt Athesia, Bozen 1989.104 Seiten.