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Mach nicht so viel Wasser"

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Wahlwasser ist jene Spezies von Wassern, mit denen die meisten Politiker von oben bis unten gewaschen sind. Es verleiht ihnen speziell nach einem Vollbad ein glänzendes Aussehen, das nach einem Brausebad halbmatt glänzt und nach Sitzbad, Fußbad und Tropf erl-bad immer matter wird, bis sich bei absoluter Vermeidung von Wahlwasser ein grünlicher Schimmer zeigt.

Wahlgegner läßt man am besten im trüben Wahlwasser fischen. Dort

ist die Wahrscheinlichkeit, daß selbige baden gehen, enorm groß.

Auch zum Reinigen der Wähleraugen vom Sand, den der politische Wahlgegner den Wählern in die Augen streut, eignet sich das Wahlwasser vorzüglich. Wie überhaupt diese Wasser art besonders reinigende Wirkung besitzt und sich vorzüglich zum Reinigen eventuell verschmutzter weißer Westen eignet. Fleck rein, Wahlwasser drüber, und der grausliche Fleck ist weg.

Die stillen Wasser, die so tief sein sollen, haben mit der Spezies des Wahlwassers rein gar nichts zu tun. Wahlwasser ist vielmehr jenes Wasser, das ununterbrochen und in Vorwahlzeiten in vermehrtem Maße durch die Wahlmühlen fließt. Ob dabei nur leeres Stroh gedroschen wird, kann vor der Wahl schwer nachgewiesen werden. (Auch nachher ist das oft nicht gewiß.)

Auch ob einem Wahlpolitiker das Wahlwasser schon bis zum Hals

steht, zeigt sich spätestens am Abend des Wahltages, wenn dann die letzten Hoffnungen davonge-schwommen sind. Das Wahlwasser eignet sich auch ganz vorzüglich zum Einkochen der sogenannten Wähler. Sind diese einmal in der Pfanne, kann man sie zwar aufgießen, aber helfen tut das auch nichts mehr.

Manche Politiker sollen das Wahlwasser auch zum Löschen ihres brennenden Hutes benützen. Sie vergessen aber dabei oft, daß so etwas mit einer kalten Dusche endet.

Wenn dann am Abend des Wahltages das Fell des Bären verteilt wird, ist es üblich, daß sich jene, die den kleinsten Teil bekommen haben, die Hände in Unschuld waschen. Dieser Unschuld ist oft Wahlwasser beigemengt, trotzdem ist die Reinigungskraft desselben sehr vermindert. Das Wahlwasser verhält sich ähnlich wie die Kometen. Es erscheint alle vier, fünf Jahre, macht einen Mordswirbel und versickert dann wieder in der Tiefe des politischen Alltags. Wenn einer sagt: „Mach nicht so viel Wasser", dann gehört dieses Wasser auch zur Spezies der Wahlwasser.

Und es war immer noch das beste, dieses Wasser versickern zu lassen. Erst dann zeigt sich, ob Gold oder Edelsteine drin waren oder nur ganz gewöhnliche klappersteine, sprich: Wahlversprechungen.

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