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Medienjustiz

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Führende SPÖ-Leute wie Leopold Gratz und Heinz Fischer sind bis zum 1. März 1970 vehement dafür eingetreten, die verfassungsmäßigen Rechte des Parlamentes zu stärken. Die politische, rechtliche und finanzielle Kontrollfunktion der Volksvertretung gemäß den veränderten Macht- und Entscheidungsstrukturen unserer Gesellschaß auszubauen.

Die Fälle Tomschitz, Weichsel- baumer, Lütgendorf und wie sie alle heißen, haben uns drastisch vor Augen geführt, wie bitter notwendig wir die Befolgung dieser alten Ratschläge hätten. Fischer und Gratz haben aus Gründen der politischen Taktik, der „Staatsräson”, Kindesweglegung begangen.

Während das Parlament einer wahren Inflation an Gesetzestätigkeit, an politischen Grundsatzauseinandersetzungen und einer Inflation an politischen Skandalen gegenübersteht, entstammt sein Instrumentarium der Kontrolltätig- keit noch immer Anno 1920. Mittlerweile sind die Medien ein wenig in die Rolle der vierten Gewalt geschlüpft. Weil der Nationalrat nicht kann, nicht darf und nicht will, ju- diziert Österreichs Öffentlichkeit via Medien den Fall Lütgendorf.

Oh nein, kein Plädoyer für „Lü”, er ist Bauer am Schachbrett geworden, lediglich die Frage: Ist es wünschenswert, daß oberste Staatsorgane in erster Linie den Zeitungen und dem Rundfunk verantwortlich sind und erst in zweiter Linie dem Parlament?

Lü mag nicht gehen und Kreisky läßt ihn nicht ziehen, weil der Mohr noch gebraucht wird: Um das Parlament weiterhin als Statisten lächerlich zu machen.

PS.: Bruno Kreisky hat am 2. Mai 1972 geschrieben: „Dem Wort,Taktik’ haftet in der Politik häufig etwas Anrüchiges an. Diese Einstellung scheint mir dann vollkommen unberechtigt zu sein, wenn Taktik dem, was Max Weber ,Gesinnungs- ethik’ nennt, sichtbar untergeordnet bleibt.” Hat der Sonnenkönig nun endgültig den Blick für Über- und Unterordnung verloren…?

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