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Meisterwerk

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Wenn die Literatur immer mehr dem Kampfgeschehen in einer Arena gleicht, darf es nicht wunder nehmen, daß ein bedeutender und literaturgeschichtlich bereits seit Jahrzehnten anerkannter Autor wie Michael Gut-tenbrunner die Gedichte einer Lebensdekade gewissermaßen unter Ausschluß dessen zirkulieren läßt, was sich für Öffentlichkeit hält oder dafür gehalten wird. So weit hat man es also gebracht: Man wird es nicht leicht haben, in den Besitz dieses Gedichtbandes zu kommen, welcher zu dem Bedeutendsten gehört, was die österreichische Literatur seit 1945 aufzuweisen hat.

Hier tritt uns Logos doppelgesichtig, aber harmonisch entgegen: einerseits stammt aus dem Logos die Logik und das sprachliche Werkzeug, um Erfahrungen und Gedanken zu bearbeiten, andererseits ist Sprache Verkündigung von Urgründen, die sich jedem Zugriff der Logik entziehen. So zeigt sich bei Michael Gutten-brunner Sprache sozusagen „demokratisch" ausgewogen.

Als Mittel und als autonomer Eigenwert ist sie ebenso dienstbar wie wirksam, um den großen Bogen über die fünf Abschnitte zu spannen, bei denen man an Goethes fünf orphische Urworte gemahnt wird. Von Griechenland unter deutscher Besetzung („Schmach und Greuel über allen Grenzen") kommend, öffnet sich uns die geistige Entwicklung des jungen Mannes („Geisteskampf der Liebe um Menschenwert"). Zu den letzten Dingen gereift („Gültig ist nur die Taufe, die mit wuchtigen Hieben das Urteil spendet") bleibt uns auch die Tröstung nicht mehr versagt: „.. .rein und heilig wie die Firne / stehn über uns die leuchtenden Gestirne."

GEDICHTE 1930-1990. Von Michael Gutten-hrunner. Gedruckt von Ing. Walter Adam, Wien 1992. 76 Seiten.

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