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Metaphernreich

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Zu Beginn der Lektüre des Romans „Engel sind schwarz und weiß" gewinnt der Leser den Eindruck, daß er stark typisierten, von der Nazizeit geprägten Menschen begegnet, die er aus Erzählungen oder aus dem Geschichtsunterricht bereits kennt: Der Vater des Romanhelden Reinhold, verkörpert den kleinbürgerlichen, erfolglosen Eiferer, der im Nationalsozialismus eine Chance sieht, aufsteigen und imponieren zu können: „Der Millionärssohn und der Arbeitersohn tragen ein und dieselbe Uniform."

Reinhold, ein sensibles Kind, wird mitgerissen durch Schwärmerei, Gemeinschaftssinn und den Vater. Die Mutter Magda, ein gläubige Christin und Märtyrerin ihres Ehemanns, kann nicht verhindern, daß der geliebte Sohn Führer im Deutschen Jungvolk werden möchte.

Erst am Ende der Lektüre erkennt der Leser das große Einfiihlungsvermögen der Autorin sowie ihre Liebe zum Mythischen und zur Symbolik. Sie versucht nicht nur zu ergründen, „welcher Zauber im innersten Kelch derbraunen Blume" gesungen wurde, sondern sie schildert auch differenziert die psychische Entwicklung der Personen. Es sind primär die Frauen und unpolitischen Männer, die Rein-holds gute Seiten fördern. Aber von allen muß er weg, nach Rußland als Kriegsoffiziersanwärter. Dort hat der junge Mann prägende Erlebnisse, die er seinem Tagebuch anvertraut. Im März 1945 kehrt er in seine hessische Heimat zurück und versucht aufzuarbeiten, um neu beginnen zu können.

Ulla Berkewicz schuf mit ihrem Erstlingswerk ein vielschichtiges Buch, in dem politische Vorgänge und seelische Bedrängnisse und Fragen lesenswert analysiert werden.

ENGEL SIND SCHWARZ UND WEISS. Von Ulla Berkewicz. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/ Main 1992. 352 Seiten, öS 296,40.

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