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Mörder in Uniform

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William Calley, dessen Urteil, wie berichtet (FURCHE 41) von einem

Distriktsrichter in Columbus, Gior- gia, aufgehoben worden ist, hat nun das Gefängnis verlassen. Ein von der amerikanischen Justiz gegen sich selbst gerichteter Akt, dessen einziger positiver Aspekt darin besteht, daß der verurteilte My-Lai-Mörder Calley nun wenigstens nicht als einziger für eine Tat büßen muß, an der sich eine ganze Reihe amerikanischer Soldaten und Offiziere beteiligte, die aber sämtlich der Justiz überhaupt entwischt sind.

Die Einzelheiten des Massenmordes von My Lai werden der Öffentlichkeit vorenthalten: Der 1970 ausgearbeitete Untersuchungsbericht von Generalleutnant Peers ist geheim. Solange er geheim bleibt, darf (und muß) man vermuten, daß die Mitwisserschaft, wenn nicht die Mittäterschaft, in weit höhere Ränge hinaufreicht, als bislang angenommen.

William Calley: Keine dreieinhalb Jahre mußte er „büßen“ — davon drei Jahre im bequemen Hausarrest in seiner Offizierswohnung. 19 Verfahren wurden niedergeschlagen oder endeten mit Freisprüchen.

Wir brauchen an dieser Stelle nicht noch einmal darzulegen, wie wir über die in Nürnberg angeurteilten Kriegsverbrecher wie Keitel und Jodi denken. Einer der betrüblichsten Aspekte an der juristischen Nicht-Bewältigung von My Lai durch die USA ist es, daß die Freisprüche gegen amerikanische Mörder die seinerzeitigen Todesurteile gegen deutsche Mörder entwerten, nachträglich zum juristischen Widersinn stempeln. Offensichtlich hat man in den USA nicht erkannt, daß die Behandlung der Causa My Lai zumindest die in Nürnberg gefällten klassischen Kriegsverbrecherurteile gegen die deutschen Militärs nachträglich zu dem stempelt, was sie damals nicht waren: nackte Siegerjustiz. Die Nicht-Justiz in Sachen My Lay gibt den „Ehemaligen“ recht und stellt jene bloß, die Nürnberg einst als Gerechtigkeit verteidigten.

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