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Mystiker des Lachens

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Hatte ein Bonmot über den Komponisten Weber besagt, er sei auf die Welt gekommen, um den Freischütz zu schreiben, so scheint Andrej Sinjawski noch weiter zu gehen, wenn er sich fragt, wer zuerst da war der Revisor oder Gogol? „Es sieht fast so aus, als ob der Revisor zuerst dagewesen wäre und sich Gogol als Geburtshelfer ausersehen hätte ..."

Mit einer atemberaubenden, nicht anders als zärtlich zu nennenden Genauigkeit nähert sich Sinjawski (d. i. Abram Terz) in einer profunden Studie, deren Revisorkapitel mit 60 Seiten allein schon ein eigenes Buch ausmachen würde, dem Phänomen Gogol, diesem Menschen, in dessen Brust nicht allein zwei Seelen lit-ten und stritten, und der genau jenes Schicksal erlitten haben dürfte, vor dem er sich zeitlebens fürchtete: im Zustand des Scheintods lebendig begraben zu werden.

Sinjawski gelingt es in hervorragender Weise, Leiden und Größe dieses russischen Meisters zu vermitteln. Las man etwa über den späten Gogol - z. B. bei Eliasberg - de Vorwurf, bei ihm sei der Dämon des Lachens mit dem Propheten im Kampf gelegen und der Prediger habe über den Künstler gesiegt, so weiß Sinjawski zu urteilen: „Die Fähigkeit zu lachen und andere zum Lachen zu "bringen, erweist sich als ein Zeichen besonders subtiler und empfänglicher seelischer Organisation, die auf jeden Reiz mit gesteigerter Sensibilität reagiert und lächelnd zu den wunderbarsten Erleuchtungen und Höhenflügen sich emporschwingt."

IM SCHATTEN GOGOLS. Von Andrej Sinjawski Propyläen, Berlin - Frankfurt/M. -Wien 1979. 400 Seiten, öS 296,40.

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