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Nestroy in Melk

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Die Blaus sind ins Sommerquartier übersiedelt. Hermann und Kilian, das Zwillingsbrüderpaar, das ständig verwechselt wird, obwohl sie doch so grundverschieden sind, haben sich in Melk einquartiert. Im barocken Mun- genastpavillon des Stiftgartens, wo sie ihr munteres Komödienspiel ab- schnurren lassen. Natürlich ist das mehr oder minder lokaler Melker Komödienstil, den Peter Janisch hier seit vielen Jahren kultiviert. Aber im Grunde ist er sympathischer und tejn- perapaentvollpr als so manche intellektuell-verdrehten Nestroy-Inszenie- rungen, in denen der kritische Pessimist und geistreiche Sprachschöpfer Nestroy zum Philosophen wider Willen herausgeputzt und nach marxistischen Deutungsmöglichkeiten abgeklopft wird.

In Melk braucht man nun davor keine Angst zu haben. Janisch inszeniert Komödie. Handfeste Komödie. Was er zu bieten hat, ist sommerliches Volkstheater. Einen Nestroy, dessen politische Probleme, abgesehen von ein paar mehr als zahmen Couplets Peter Wehles, kaum spürbar werden. Denn Nestroys Kritik an falscher Romantik, am vertrackten militärischen Ehrenkodex, an falschem kleinbürgerlichem Getue rund um die Tugend wird nur an der Oberfläche angerissen.

Immerhin sorgt Janisch aber dafür, daß die Verwechslungsgeschichte zwischen Hermann und Kilian zum Gspaß wird. Harry Fuss ist sozusagen „ein ganzes Brüderpaar“. Allerdings gelingt es ihm nicht so recht, den Charakterabstand vom Sergeantenhaudegen Hermann Blau zum verhemmten patscherten Zwilling, zum Färber Kilian, darzustellen. Was er haargenau trifft, ist nur der Held wider Willen, der Traumichnieht, der im Grunde so ähnlich wie der Bediente Peter in diesem Stück den Satz anhängt: „Verbot ist das Lieblingskleid der Lieb’. Wunsch und Erfüllung sind feindliche Geschwister und ihre Mitschwester, die Sehnsucht, hat’s längst aufgeben, drauf zu warten, daß zwei einmal von allein z’sammen kommen.“

Die übrige Besetzung dieser Posse, die auch hier ihren musikalischen Gestus hervorkehrt - „Der Färber und sein Zwillingsbruder“ war in der Vorlage eine französische Militäroper! -, trifft den Stil erfreulich gut. Gabriele Jacoby spielt ein Roserl, das bereits im Vorgefühl künftiger liebender Han- tigkeit dem starken Geschlecht eins auszuwischen bereit ist. Peter Josch als Bedienter Peter, der in demütiger Distanz seine Löwenschluchtische Herrin umschleicht, findet sehr persönliche Ausdrucksmomente: Die

Tragödie des Verzichtenmüssens kippt in schwarze Resignation um.

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