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Neudeutung

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Michael Roes - über den das Buch leider keine Informationen enthält -hat die Geschichte der Opferung Isaaks in der hebräischen Bibel mit seinen zwar kritisch, aber nicht ohne Verständnis geschilderten Erfahrungen im heutigen Israel zusammen gelesen. Entstanden ist damit ein sehr ungewöhnliches, schon in der äußeren Form eigenwillig konzipiertes, den Leser anfangs befremdendes, nach vermehrter Lektüre aber umso ansprechenderes Buch.

Die Brüche und Widersprüche der israelischen Gesellschaft werden in den skizzenartigen, fast collageartig angeordneten Abschnitten des Buches sichtbar, die einerseits Szenen aus der Intifada oder dem Golfkrieg beschreiben und Berichte aus der .Jerusalem Post” einfügen und andererseits das Beschneidungsritual analysieren sowie das Leben der Nomaden schildern. Deren streng patriarchalische Tradition, besonders deutlich bei den Hochzeitszeremonien, und die Schwierigkeiten ihrer Integration in das moderne Israel werden ausführlich beschrieben. Die schärfste Kritik fällt jedoch bei der Schilderung der Probleme der Kindererziehung in einem namentlich nicht genannten Kibbuz, nach Roes einer Gemeinschaft arbeitssamer, angepaßter Gruppenmenschen, in der Individualität zum Verrat wird und wozu er schreibt: „Der Kibbuz hat eine neue Form der Orthodoxie entwickelt, die ähnlich starke Fesseln anlegt wie die abgelegten religiösen Formen”.

Dieses Buch, das auch einen 65sei-tigen Bildteil mit meist vom Autor selbst stammenden Fotografien enthält, ist eine moderne jüdische und israelische Lesung und Aktualisierung der Bibel. Es versucht damit in sehr unsystematischer Weise und mit viel gelehrtem Ballast der Frage nachzugehen, warum die jungen Israelis und Palästinenser, die Nachfahren Jiz-chaks, wieder dem Machtanspruch ihrer Väter geopfert werden.

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