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Neuer Hamlet

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(Volkstheater, Wien) Auch in einer kommunistischen Bauerngemeinde geschieht „fortschrittlich" etwas für Kultur und Bildung. Wie geht das zu? Das zeigt derzeit die im Volkstheater aufgeführte groteske Tragödie „Hamlet in Unterschlammdorf' von dem kroatischen Dramatiker Ivo Bre-schan. In diesem kroatischen Dorf mit dem ins Deutsche übersetzten Namen wird von den Bewohnern Shakespeares Tragödie einstudiert. In einer vom Lehrer unter Widerstreben kraß vulgarisierten und stramm auf Klassenkampf ausgerichteten Fassung. Witziger Gegensatz zu Shakespeare.

Hiezu kommt ein vorzüglicher Einfall: Im persönlichen Bereich der Darsteller begibt sich ein Parallelfall zur geprobten Hamlet-Handlung, ja, beides greift ineinander. Zu Unrecht wird der Vater dessen, der den Hamlet spielt, wegen eines Diebstahls von zehn Millionen, den einer der beiden korrupten Parteifunktionäre, Bukara, begangen hat, verhaftet, verurteilt, er erhängt sich. Der Sohn sucht vergeblich den Schuldigen zu entlarven, der aber schüttelt alles ab, bleibt weiter in Funktion. Bezeichnender Unterschied zum originalen Hamlet: keine Aufhebung der Mißstände, dadurch Anprangerung korrupter Instanzen. Schlamm bleibt Schlamm. Ist das Stück in Jugoslawien verboten? Es wurde an fast allen Bühnen des Landes gespielt.

Als Regisseur bringt Karl Pa-ryla das Stück zu vorzüglicher szenischer Wirkung, in der Rolle Bukaras ist er ganz Maske ruhig überlegener Biederkeit. Walter Langer profiliert den zweiten Korrupten. Stephan Paryla gibt Hamlet zunächst verhaltene, schließlich explodierende Empörung. Georg Trenkwitz ist ein impulsiver Lehrer, Brigitte Swo-boda eine verhärmte Ophelia. Den schlichten Gemeinschaftsraum der „Volksfront" entwarf Svetolik Zdravkovic. Milo Dor schuf die treffliche Ubersetzung.

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