6856571-1977_18_01.jpg
Digital In Arbeit

Nicht alles neu im Mai

Werbung
Werbung
Werbung

Mit bereits traditionell gewordener Mißgunst und mit ihrem ebenso traditionellem Unverständnis allem Spanischen gegenüber berichteten die auf europäische Selbstzerstörung getrimmten Meinungsverbreiter des Westens über den Polizeieinsatz in Madrid am 1. Mai. Da waren doch die Gewerkschaften zugelassen, warum erlaubte man ihnen denn nicht, zu marschieren? Kein Wort darüber, daß sich in Spanien zwar die kommunistischen Gewerkschaften längst im Untergrund organisieren konnten, die demokratischen aber nicht. Kein Wort darüber, daß es bei einem Kommunistenaufmarsch nicht geblieben und daß die lediglich aus Loyalität zum König Gewehr bei Fuß stehende Rechte nicht untätig zugesehen hätte. Kein Wort darüber, daß die Regierung es sich keinesfalls hätte leisten können, den Wahlkampf auf die Straße zu verlegen,

wie dies der Linken nur allzu willkommen gewesen wäre. Denn im künftigen Spanien soll nicht „alle Macht den Räten” gehören, wie es die westlichen Meinungsverbreiter zu wünschen scheinen, sondern den frei gewählten demokratischen Kräften des Landes.

Vergleicht man die Meldungen aus Madrid mit jenen aus Istanbul, wie sie uns am Abend des Tags der Arbeit serviert wurden, so wird man den Eindruck nicht los, den Mediengewaltigen sei ein Gemetzel wie das türkische - mag es nun von den Maoisten, von den Kommunisten, von den Faschisten oder gar von der Regierung selbst provoziert gewesen sein - immer noch lieber ist als Tränengas, Gummigeschosse und keine Toten in Madrid. Wo blieb das wahre, das große Entsetzen über das Maischrecknis in der Türkei?

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung