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Nichtdeutsch für Anfänger

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Ich wollte einen Freund, der in der Volkshochschule einen Kurs leitete, abholen. Ich wußte die Nummer des Hörsaals nicht, niemand war da, den ich hätte fragen können, auch fand ich nirgends ein Schwarzes Brett mit dem Stundenplan.

So schlich ich durch Gänge und horchte an Türen.

An einer hörte ich: „Piero de la Francesca ..." Da war's nicht.

An einer anderen: „Kraft mal Kraftarm ist gleich ..." Da war's auch nicht.

An einer dritten: „Christian Fürchtegott Gellerts Fabeln ..." Da war's auch nicht.

Was ich aber durch die nächste Türe hörte, faszinierte mich derart, daß ich stehenblieb. Der Lehrer diktierte den Hörern: „Den Salat, bitte, mit Zitrone", und es folgte erst etwas slawisch Klingendes, dann eine mir ganz fremde Sprache, dann etwas orientalisch Klingendes, dann etwas afrikanisch Klingendes.

Anschließend sagte er diktierend: „Aber, bitte, ohne Eis", und wieder Slawisch, Fremdartig, Orientalisch, Afrikanisch. Dann: „Bitte um sieben Uhr wecken" und wieder Slawisch, Fremdartig, Orientalisch, Afrikanisch. Hierauf: „Die Heizung in meinem Zimmer funktioniert nicht" und wieder die unbekannten Sprachen.

Es läutete. Die Stunde war zu Ende. Zahlreiche Hörer, erwachsen und sichtlich gut situiert, strömten aus dem Hörsaal.

Ich fragte den Lehrer: „Bitte, was haben Sie eben unterrichtet?"

„Hier werden Reisende, die Hotels und Gaststätten in der Bundesrepublik Deutschland besuchen wollen",

sagte er, „in die Anfangsgründe der serbokroatischen, griechischen, türkischen Sprache und einiger afrikanischer Dialekte eingeführt, damit sie sich mit dem dortigen Personal einigermaßen verständigen können."

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