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Nichts als die Wahrheit

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Bs gibt eine Anzahl berühmter Kriegsfllme — oder besser gesagt „Antikriegsfilme“, die heute bereits als Klassiker der Filmgeschichte gezählt werden, so G. W. Pabsts „Westfront 1918“, Milestones „Im Westen nichts Neues“, Kubricks „Wege zum Ruhm“ und Ichikawas „Nobi“. — Seit zwei Jahren nun existiert ein italienischer Film, der in seiner absoluten Tendenz und Aussage die angeführten übertrifft. Francesco Rosi, den Filmfreunden durch „Wer erschoß Salvatore G.?“, „Die Hände über der Stadt“ und „Der Augenblick der Wahrheit“ als kompromißloser Moralist und bewundernswerter Filmgestalter bekannt, hat nach dem Buch von Emilio Lussu „Un anno sull'altopiano“ („Ein Jahr im Hochland“) ein Filmwerk gestaltet, das mehr als nur die Inhumanität, Schrecklichkeit und Sinnlosigkeit des Krieges anprangert, dessen schonungslose Offenheit den barbarischen Geist des Militarismus dokumentiert und richtet: „Bataillon der Verlorenen“ — oder mit seinem Originaltitel, der noch treffender ist, „Uomini contro“.

Schon auf der Filmkunstschau in Venedig 1970 führte der Streifen zu heftigen Kontroversen, Rosi wurde vorgeworfen, sein Film sei antinational, aufhetzerisch und kommunistisch — doch selbst die italienischen Kommunisten fanden das Eisen zu heiß, da es um .heilige Güter der Nation“ ging, sie distanzierten sich ebenfalls und bezeichneten diesen Film als bourgeoise Verleumdung ... Warum? Einfach, weü Rosi die Grenzen überschritten hat, weil man die Wahrheit nur bis zu einem gewissen Ausmaß sagen darf. Wenn es um Ehre und andere große Begriffe geht, um Heldentum und Vaterland, muß man beschönigen; aber Rosi verschweigt in diesem Dokument militärischen Größenwahns, der Unmenschlichkeit, des mit patriotischen Parolen verbrämten Verbrechens nichts, er zeigt die Wahrheit und nichts als die Wahrheit — und dies in so erschütternder, eindringlicher und vielleicht sogar aufrüttelnder Form, daß sein Film nicht nur als vollendetes Kunstwerk eines Massenmediums betrachtet werden muß, sondern darüber hinaus als Anklage, als Fanal, als Aufforderung zum Widerstand. Und das mag gefährlich sein — aber es ist endlich notwendig ... Goswin Dörfler

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