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Nietzsche-Gefecht

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Die Karriere des Denkens von Nietzsche ist bekanntlich äußerst ungewöhnlich. Sicherlich eignet sich gerade sein Philosophieren in besonders hohem Maß dazu, ideologisch ausgebeutet und von den verschiedensten Hohepriestern stückweise zelebriert zu werden. Um es vorwegzunehmen: Anacleto Verrecchias Buch, das freilich keine Darstellung von Nietzsches Philosophie beabsichtigt, zählt zu den erfrischendsten, zugleich aber umstrittensten Nietzsche-Büchern der letzten Jahre.

Verrecchia rekonstruiert nichts anderes als die Ereignisse von Nietzsches letztem Aufenthalt in Turin in den letzten Monaten vor dem Zusammenbruch. Mit nahezu detektivischem Spürsinn entmythologisiert der Autor nicht allein die sich um Nietzsches Wahnsinn rankenden Legenden, sondern legt auch bloß, wie verfälschend bereits die ersten biographischen Darstellungsversuche ausgefallen sind.

Trotz des polemischen Tones, der dem Denkmal Nietzsche eine menschliche Gestalt Nietzsche gegenüberstellt, die nicht sonderlich sympathisch ausfällt, wäre es verfehlt, Verrecchia Abneigung gegen seinen Autor vorzuwerfen. Was Verrecchia dagegen mit allen Mitteln mediterranen Esprits und auch Spottes geißelt, sind die „Opfergaben und Wachsschichten“, mit denen das Standbild Nietzsche durch seine Anbeter überhäuft wurde. Gerade dadurch trägt er aber dazu bei, Nietzsche nicht zu einem jener „literarischen Knochen“ werden zu lassen, an dem sich wahre Heerscharen von Kritikern und Interpreten immer noch gütlich tun.

ZARATHUSTRAS ENDE. Von Anacleto Verrecchia. Verlag Hermann Böhlau, Wien 1986. 411 Seiten, Ln., öS 380,-.

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