Daß die Religionskritik, spezifisch als Kritik am Christentum im
19. Jahrhundert an zentraler Stelle aller revolutionären Denkbewegungen stand, ist nichts Neues. Von Feuerbach oder Marx bis zu Dostojewskij oder auch Kierkegaard spannt sich hier ein Bogen, innerhalb dessen die verschiedensten Weisen kritisch sich gebender Infragestellungen der Religion durchexerziert wurden.
Nietzsche nimmt hier zweifellos nicht nur mit seinem Gott-ist-tot- Konzept einen wichtigen Platz ein.
Dieter Henke versucht in einer fesselnd geschriebenen Studie Nietzsches Kampf mit den überlieferten Werten, sein Ringen um Wirklichkeit und deren vorgebliche Entwertung durch das Christentum auch auf das Problem der Sprache zu beziehen. Anknüpfend an Nietzsches Wort aus der „Götzen-Däm'- merung“ - „Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, weil wir noch an die Grammatik glauben“ - macht Henke deutlich, wie schwer und letztlich auch vergeblich Nietzsche mit der philosophischen, intellektuellen und wissenschaftlichen Grundstellung seiner Zeit gerungen hat. Henke versucht damit die von Nietzsche immer wieder anvisierte Grundsituation des Menschen schärfer herauszustellen, dieses „nicht festgestellte Tier“, wie Nietzsche sich einmal ausdrückte, besser zu begreifen.
Das Buch ist sicher keine einfache, wohl aber eine recht anregende Studie zu Nietzsches Denken.
GOTT UND GRAMMATIK, Nietzsches Kritik der Religion. Von Dieter Henke. Verlag Günter Neske, Pfullingen 1981. 211 Seiten, öS 184,80