Es ist ja allgemein bekannt, daß Nonverbales oft mehr aussagt über einen Menschen als langes Gerede, das jemand von sich gibt. Wer den entsprechenden Blick dafür hat, der sieht hinter die Dinge.
Meine Nachbarin zum Beispiel, die geht manchmal mit Lockenwicklern in den Keller, um die trockene Wäsche zu holen. Was bedeutet dieses nonverbale Signal der Lockenwickler, frag ich mich psychologisch versiert.
Ganz klar: Es ist die ewige Sehnsucht der Frau nach dem Runden, nach der Schönheit und nach dem Kuscheln, das sich im Wickeln ausdrückt. Und wenn meine Nachbarin diese nonverbalen Signale in aller Öffentlichkeit von sich gibt, dann heißt das: ihre Sehnsüchte werden im Raum der Familie nicht erfüllt, sie sucht die Erfüllung außerhalb. Darum der Gang in den Keller, - in die Tiefen und Abgründe des menschlichen Seins.
Kurz: meine Nachbarin ist frustriert und sucht nach einem Erlebnis, das ihren Frust beseitigt. Dann ein Onkel väterlicherseits: Er fährt ständig mit dem Fahrrad. In die Arbeit, zum Essen, vom Essen, von der Arbeit, in die Sonntagsmesse, zum Fleischer, zum Bäcker, zum Schuster, im Sommer genauso wie im Winter, er fährt immer und überall mit dem Rad. Das muß doch etwas bedeuten.
Ganz klar: Er zieht sich auf früh-kindliche Strampelbewegungen zurück, um eine Jugendlichkeit vorzutäuschen, die er schon lange nicht mehr hat. Vielleicht träumt er auch von einem fliegenden Teppich oder von Siebenmeilenstiefeln, nichts Genaueres weiß man da nicht. Und meine Tante, die trägt mit Vorliebe die Farbe Lila und duftet permanent nach Veilchen.
Ist es die vergebliche Sehnsucht nach dem längst verflossenen Frühling, die sie zu Lila und Veilchenduft greifen läßt? Oder glaubt Tantchen gar, daß Lila und Veilchenduft die Männer schwach machen? Jedenfalls fällt mir schon lange auf, daß in ihrem Blick so ein lila Schimmer liegt, der . mich fatal an Nachtschattengewächse erinnert. Sie ist mir jedenfalls nicht geheuer meine Tante.
