Äußerst spannend ist am Montag abend die Wahl des neuen Bischofs der Evangelischen Kirche A.B. verlaufen. Bis zuletzt lieferten sich der Wiener Superintendent Werner Horn (57) und sein Kärntner Kollege Herwig Sturm (53) ein Kopf-an-Kopf-Bennen. Erst im zwölften Urnengang fiel die Entscheidung. Mit 39 Stimmen kam Sturm exakt auf die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit unter den 58 Mitgliedern der Synode.
Sturm bat unmittelbar nach der Wahl die Anwesenden: „Lassen Sie mich nicht alleine, begleiten Sie mich in meinem Tun und Lassen kritisch.”
Der neue Oberhirte, der 1942 in Lilienfeld in Niederösterreich geboren wurde und seit 15 Jahren in Klagenfurt lebt, hat sich erst im letzten Augenblick zur Kandidatur entschlossen. Er wollte seiner Frau und seinen drei Kindern einen Wohungswechsel nach Wien nur ungern zumuten. Sturm gilt als berechenbar, durchsetzungsfreudig und Neuem stets aufgeschlossen. Beim öffentlichen Hearing, dem sich alle fünf Kandidaten vor der Wahl stellen mußten, beeindruckte er durch sein Plädoyer für mehr Spiritualität in der Kirche. So wolle er als Bischof „aufpassen auf die Quellen unseres geistiges Löbens, daß sie nicht verschüttet werden”. Die Heilige Schrift ist für ihn „stark genug, um sich den Fragen der Menschen stellen zu wollen”.
Die größte Versuchung und Gefahr einer kirchenleitenden Funktion sieht er darin, die Sensibilität im Umgang mit Menschen zu verlieren. Daher will er auf jene Christen zugehen, die aus Unachtsamkeit aus der Kirche „herausgetrieben” worden seien. Auch möchte er sich die Möglichkeit offenlassen, früher aus dem Amt zu scheiden, sollte er merken, daß es ihn verdirbt. Als neuer Oberhirte will er sich einen „Coach”, einen „modernen Beichtvater”, nehmen, weil er um die Einsamkeit von Führenden weiß. Repräsentation der Kirche nach außen ist ihm wichtig, doch das müsse nicht unbedingt der Bischof leisten. Die fei-• erliche Amtseinführung findet am 28. Jänner 1996 in Wien statt.
