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Ödön v. Horvath ganz persönlich

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Im Olivier Theatre, dem großen Haus des englischen Nationaltheaters, steht ödön von Horvath persönlich auf der Bühne — nicht als Autor, sondern als Hauptperson des jüngsten Stückes von Christopher Hampton. Der geistreiche Dramatiker hat seinerzeit die „Geschichten aus dem Wienerwald“ für London übersetzt und den „Tales from the Vienna wood“ nun „Tales from Hollywood“ folgen lassen.

Der Grundeinfall ist bestechend: Horvath kommt nicht — wie es ihm widerfuhr —1938 in Paris ums Leben, sondern der herabstürzende Kastanienast trifft einen neben ihm Stehenden. Für ihn erfüllt sich vielmehr, was er sich gewünscht hat: er geht mit einem guten Vertrag nach Hollywood.

Dieses „Was wäre gewesen, wenn …" wird nun ausgespielt: die Querelen in den literarischen Kreisen der Emigration, mehr und mehr das Diktat der Metro Goldwyn Mayer, unter dem Begabungen verdorren, auch wenn man stattliche Honorare kassieren kann.

Thomas Mann wird zum Liebling der US-Regierung, seinem Bruder Heinrich geht es weit weniger gut, zumal dessen Frau eine haltlose Alkoholikerin ist. Bert Brecht wird schon hier zum Antagonisten Horvaths.

Er ist pfiffig und geschäftstüchtig, treibt zwar kommunistische Untergrundarbeit, entgeht aber dennoch schlau den Fragen des McCarthy-Ausschusses. Und für den das Geschehen zugleich erleidenden und konferierenden Horvath wird es eine große Enttäuschung.

Obwohl Hamptons Stück noch vor dem Londoner Start in Düsseldorf gespielt worden ist, werden wir es vermutlich in Wien nie zu sehen bekommen. Wer Horvath näher kennt, und für wen die Brüder Mann nicht bloß literaturgeschichtliche Begriffe sind, für den erscheint manches banalisiert und primitivisiert.

In der Londoner Aufführung unter Peter Gill hat der Hauptdarsteller Michael Gambon wenig Porträtähnlichkeit, hält aber den Abend in Spannung. Glänzend der Brecht von Jan McDiarmid, der Pfiffigkeit und auch Überheblichkeit virtuos ins Spiel bringt. Von den Brüdern Mann hat zwar Thomas (Guy Rolfe) einige Ähnlichkeit, Bruder Heinrich (Philip Locke) aber brachte es nicht einmal auf einen Bart. In London war es ein großer Erfolg, man verfolgte ein geistreiches Impromptu, ein Spiel der Möglichkeiten.

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