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Öko-Kollaps am Aralsee

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Einst war der Aralsee in der Sowjetunion der viertgrößte See der Erde, heute ist er kleiner als Lake Hu-ron und Lake Michigan, die er einst übertraf. Der Aralsee ist, weil seine Zuflüsse für Bewässerungszwecke zu sehr „angezapft“ wurden, so sehr geschrumpft, daß selbst sowjetische Wissenschaftler von einer drohenden Umweltkatastrophe sprechen.

Die sowjetische Akademie der Wissenschaften bemühte den amerikanischen Geographieprofessor Philip Micklin von der Western Michigan University in Ka-lamazoo, die Situation am Aralsee zu studieren. „Der See und die gesamte Region befinden sich in einer schweren Krise“, stellte der US-Wissenschaftler jetzt in der Zeitschrift „Science“ fest. „Der Wasserpegel des Sees ist seit den sechziger Jahren schneller und besorgniserregender als während der 1.300 Jahre davor gesunken.“ Der Pegel des Sees ist in den letzten drei Jahrzehnten, so ergab die Studie des US-Professors für die sowjetische Akademie der Wissenschaften, um rund 13 Meter gefallen. Die Wasserfläche des Sees hat in diesem Zeitraum 40 Prozent abgenommen, sein Wasservolumen schrumpfte sogar um 66 Prozent.

Grund für dieses ungewöhnliche Schrumpfen des Sees ist, daß die Zuflüsse, vor allem die sehr wasserreichen Flüsse Syr Darya und Amu Darya, für die Bewässerung umliegender Regionen, darunter der Krakum-Wüste, benutzt werden, um dort landwirtschaftliche Nutzfläche zu schaffen. So gelangt viel zu wenig Frischwasser in den See, dessen Ufer zunehmend versanden und versumpfen. Außerdem ist der Salzgehalt des Sees dramatisch gestiegen, worunter die Fische leiden. Dutzende Fischarten sind bereits völlig verschwunden und gelten als ausgestorben. Die Fischindustrie der Region am Aralsee steht vor dem Kollaps. Stürme tragen die Salze zudem über Hunderte von Kilometern, sodaß auch weit entfernte Regionen zu leiden beginnen. „Die Aussichten sind gar nicht gut“, urteilt der US-Wissenschaftler Micklin, „der See erhält so gut wie keinen Zufluß mehr, die Versalzung beschleunigt sich. Im kommenden Jahrhundert kann der See tot sein.“

In Moskau heißt es, man wird Wasser aus sibirischen Flüssen abzweigen und zum Aralsee führen. Wissenschaftler der usbekischen Akademie der Wissenschaften planen, die Flüsse Ob und Irtysh anzuzapfen und die Wassermassen über rund 2.000 Kilometer nach Süden in den Aralsee zu führen. Davor wiederum warnen Wissenschaftler des US-Center for Atmospheric Research in Boulder/Colorado: Das hätte die Versalzung des Arktischen Ozeans zur Folge, wenn sibirische Flüsse ihre Wassermassen nicht mehr wie bisher dorthin „ergießen“ würden. Damit würde der Arktische Ozean auch nicht mehr in gewohntem Maße überfrieren, und das könnte schlimme globale klimatische Veränderungen nach sich ziehen.

Einen Ausweg aus dem Dilemma sieht die Wissenschaft derzeit nicht — eine weitere Umweltkatastrophe nimmt wohl ihren Lauf.

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