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Offene Gräber, leidende Seelen

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Die Demokratisierung der einstigen kommunistischen Staaten bewirkt bei Interessierten auch eine persönlich geistige Öffnung und Neugierde für das wissenschaftlich-kulturelle Leben in den osteuropäischen Ländern. Im Falle von Tschechien fühlen wir Österreicher uns besonders angesprochen, denn zahlreiche böhmische und darunter viele jüdische Schriftsteller belebten bis zu den grauenvollen Ereignissen unter der Hakenkreuz-Herrschaft die österreichische Literaturszene.

Und primär über Juden schreibt die Prager Literaturwissenschaftlerin Daniela Hodrovä (Jahrgang 1946) in ihrem Totenroman „Cittä dolente. Das Wolschaner Reich”. Das Haus, das den Rahmen für die Erlebnisse seiner vergangenen und gegenwärtigen Bewohner bildet, steht nicht umsonst neben dem Friedhof. So können die Verstorbenen ihr Leben auf dem Totenacker fortsetzen und als ruhelosen Seelen immer wieder in das Schicksal und in die Gedankenwelt der Hausinsassen eingreifen.

In zahlreichen kurzen Kapiteln erzählt die Autorin Geschichte und Geschichten unseres Jahrhunderts, verkörpert durch die Menschen des Wolschaner Reiches. Dabei bedient sich die Romantheoretikerin gekonnt verschiedener literarischer Gattungen wie des Märchens, der Legende oder der Sage und literarischer Motive. Über allem jedoch steht die Mystik, Symbolik und Phantasie.

Die vorliegende Erzählung bildet den ersten Band einer geplanten Tri-logie, deren Obertitel „Cittä dolente” Dantes Göttlicher Komödie (Inferno, 3. Gesang) entliehen ist. Mit diesem ersten Band beginnt der Verlag mit der Edition des literarischen Werkes einer Schriftstellerin, die auch Mitglied der Prager Akademie der Wissenschaften ist.

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