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Pfingsten im Kino

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Nach dem Uberangebot der Vorwoche ist es um die Pfingstfeiertage — man fährt mit dem Auto aus der Großstadt hinaus — in den Wiener Kinos etwas stiller geworden. Wer ein Naturfreund ist und zu Hause bleibt, kann sich den kanadisch-amerikanischen Dokumentarfilm mit Spielhandlung „So frei wie der Wind“ ansehen, der die Entwicklung von vier Wölfen schildert, die ein alter Jäger und Fallensteller elternlos findet und aufzieht. Der photographisch sehr schöne Film, der die Sehnsucht nach „freier Wildnis“ weckt und ebenso sensationslos-stille wie hervorragende Tier- und Landschaftsaufnahmen miteinander verbindet, kommt ohne jede Grausamkeit und Effekthascherei aus. Mit Ausnahme des sehr störenden pathetisch gestellten Schlusses. (Geht es denn nie ohne eine solche unwahre „Tierdankbarkeit“, muß der Mensch vor dem Bären durch die aufgezogenen Wölfe gerettet werden? Das ist „Edelkitsch“!) Trotzdem gehört dieser Film zu den sehenswertesten in diesem Genre.

Italiens Filmproduktion, immer überaus rührig in der Übernahme kommerzverdächtiger neuer „Wellen“, kopiert in „La Pistola“ gekonnt und perfekt den amerikanischen Gangster-, Rauschgift- und Polizistenfilm; es fehlt nichts, weder auf die Spitze getriebene sadistische Sequenzen noch die wilde Autoverfolgungsjagd. Sogar mit echten Hollywooddarstellern wird aufgewartet: Lee Van Cleef und Tony Lo Bianco („Die Seven-Ups“). Das Ergebnis ist ein handwerklich routiniertes, kontinentales Gangster-Kommerz-Kino, interessant für den Fachmann ...

Dennoch ist diese Woche ein Spitzenfilm mit angelaufen, ohne besondere Reklame und ohne ein Prädikat der dafür zuständigen Kommission, und dennoch ein Film, von dem ich vermute, daß er einmal unter die Klassiker seines Genres gezählt wird: „Vier Vögel am Galgen.“ (Für diesen reißerischen, mit dem Inhalt kaum in Beziehung stehenden Titel kann der Film nichts, der im Original „The Spikes Gang“ heißt!) Der in die Gattung der „True Western“ einzureihende jugendpädagogische Problemfilm von Richard Fleischer über die Entwicklung dreier Jugendlicher zu Outlaws ist mehr als eine Enthüllung des wahren Gesichtes des romantischverklärten „Wilden Westens“ und seiner Menschen (die genau so wenig „edel, gut und hilfreich“ waren, wie sie es heute sind), sondern darüber hinaus eine unerhört frappierend-treffsicher gestaltete psychologische Studie über menschliche Verhaltensweisen zu jeder Zeit und an jedem Ort (auch bei uns). Möglich, daß der Film oberflächliche Besucher schok-kiert, infolge seiner Härte und Thematik, doch der denkende Zuschauer sieht mehr in ihm als nur einen (trotzdem auch: großartigen!) Western ...

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