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Politische Liebe

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Nach der sanften Revolution in Prag: Die Enddreißigerin Petra Märovä, Mutter einer ziemlich aus dem Ruder laufenden Tochter, freut sich darauf, daß ihre große Liebe, der Ökonomieprofessor Viktor Kräl, endlich aus dem kanadischen Exil heimkehren und Verantwortung in der Regierung übernehmen darf. Das erneute Knüpfen der Liebesbande stößt jedoch auf Hindernisse: Viktor ist verheiratet und gerät außerdem in den Verdacht, für die Staatssicherheit gearbeitet zu haben.

Mit seinem neuen Roman reagiert

Pavel Kohout auf die aktuelle Entwicklung in der Tschecho-Slowakei. Soll die „Moral von der Geschieht““ nachhaltig wirken, dann muß sie von den richtigen Figuren transportiert werden. Nun ist die Ich-Erzählerin Petra alles andere als eine sympathische Zeitgenossin. Es nervt, wie sie ihre jüdische Rivalin eine „Tochter Judäas“ und auch mal „Schickse“ nennt, um sich gleich darauf zur Ordnung zu rufen. Störend sind auch ihre pausenlosen Selbstreflexionen, ihre rituellen Gewissensbisse (nach dem Beischlaf folgt stets das Reuegebet) und der Stolz auf ihre phänomenalen „Titten“. In den Dialogen gibt sie (in Klammersätzen) unaufhörlich ihren gedanklichen Senf dazu. Da wird dem Leser einiges an Geduld und Nachsicht abverlangt.

Wer sich daran nicht stört, wer spannende Liebesgeschichten mag mit einem Netz aus Verdacht und Verrat, mit Treueschwüren und Tragik und immerhin ohne Kitsch, der wird von diesem Roman nicht enttäuscht werden.

Bleibt die Erkenntnis, daß fast alle irgendwie in die Fänge der Staatssicherheit verstrickt waren und daß es auch in der postsozialistischen Ära kaum anständige Menschen mit Charakter gibt.

ICH SCHNEIE. Von Pavel Kohout. Albrecht Knaus Verlag, München 1992. 384 Seiten, öS 327,60.

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