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Postmodern: Was ist das?

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Bertolt Brecht läßt in seinen „Flüchtlingsgesprächen” den Herrn Ziffel zu Herrn Kalle sagen! „Es sieht zu modern aus. Modern ist veraltet!” Wie recht Bertolt Brecht hatte, beweist die gängige, sogenannte „Post-moderne Architektur”.

Die aus Amerika eingewanderte und von Charles Jencks so eifrig titulierte Architekturströmung ist keine, sondern ist der

Verlegenheitsbegriff für gebaute Stilzitate und Ansammlungen von Zierformen, die die heutige Camouflagearchitektur beherrschen.

US-Kulissenarchitekten mit ihren zusammenkollagierten Bauten und Entwürfen werden nun auch in Europa unter dem Deckmantel nostalgischer Sehnsucht kopiert und nachgebaut. Die Versuche akademisch trainierter Architekten mit intellektuellem Anspruch, die Ge-schichtslosigkeit durch historie-rende Stilclownerie nachzuahmen, werden meist zu Parodien..

Einteilungsspezialisten und

Vermarkter vereinnahmen die unterschiedlichsten Baukünstler und versehen die Architektur der letzten Jahre mit dem Etikett „Post-Moderne”. Sie meinen, das historische Formenvokabular, das schon zu Ende der eklektizistischen Ära zum Sammelsurium wurde, könne außerhalb seines Kontextes wieder verwendet und wieder „zum Reden” gebracht werden. Diese Camouflagearchitektur versucht durch ideologische Vermarktung und Rückgriff auf altes Vokabular Funktion und Inhalt zu vernachlässigen oder gar auszuschalten.

Nicht die geistige Dimension, nicht der soziale Inhalt und nicht der kulturelle Stellenwert sind den Magiern dieser Szene des Augenmaßes wichtig, sondern vordergründige Attraktivität. Aufdringlicher Firlefanz und kosmetischer Schwindel degradieren die Dimension zusätzlich zu einer Mini-Monumentalität. Man ersetzt Poesie durch Pathos.

Unter dem Eindruck einer Flut reproduzierter Nachrichten und Bilder aller Art bleibt kaum noch Raum für eigene persönliche Vorstellungen. Die Gefahr der Auslieferung an das Klischee wächst auch in Sachen Planung und Architektur.

Die Verlagerung der Architektentätigkeit auf bloße Gefälligkeitsarchitektur, der eklektizi-stische Charme, angebliche Sehnsucht nach Erinnerungen und der Verzicht auf Sozialkriterien und Inhalte, wird zur gefälligen Erfolgsarchitektur — zur „Biene Maja-Architektur”.

Der Einbruch dieser „postmodernen” Krankheit — eine Krankheit, die Architekten zu Maskenbildnern werden läßt — hat in den letzten Jahren um sich gegriffen. Daß auch Österreich von dieser Epidemie bereits befallen ist, zeigen zwei neue Wiener Großbauten: das Bundesamtsgebäude gegenüber der Urania am Julius-Raab-Platz und der Hotelneubau am Parkring auf den ehemaligen Gartenbaugründen.

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