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Praktisches Denken bei Beamten

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Ein Ministerialrat in Bonn hat achtzig Mark Prämie für einen Verbesserungsvorschlag bekommen: Er ist mit der Idee gekommen, in den Herrentoiletten <les. Abgeordnetenhochhauses Aschenbecher zu installieren.

Die Zeitung, die diese Nachricht brachte, plazierte sie in der Ecke für Kuriosa und äußerte somit ihren Hohn und Despekt. Das finde ich ungerecht. Man sollte solche Nachrichten auf der ersten Seite drucken, als Vorbild.

Denn diese Geschichte ist vorbildlich, egal, von welcher Seite man sie betrachtet. Der Beamte bewies, daß er nicht nur seine Amtspflichten im Kopf hat, sondern auch denkt, ja praktisch denkt - das ist viel mehr, als man von einem Beamten normalerweise verlangt. Er zeigte Erdnähe und Verbundenheit mit dem Leben. Sein Vorschlag war auch ein Beweis seiner demokratischen Gesinnung: er sieht die Abgeordneten als Menschen wie dich und mich, die nicht nur die menschliche Schwäche fürs Rauchen haben, sondern auch Zigarettenkippen auf den Boden oder in den Abfluß werfen, wenn es im Raum keine Aschenbecher gibt.

Zugleich hat er sein demokratisches Vertrauen zu den gewählten Vertretern des Volkes zum Ausdruck gebracht, unterstellend, daß sie die Kippen nicht mehr auf den Boden, sondern in die Aschenbecher ablegen werden, sobald welche vorhanden sind.

Die Bundestagsverwaltung handelte goldrichtig, indem sie die Initiative, den Wirtschaftssinn, das Umweltbewußtsein und das nicht pflichtbeschränkte Denken des Beamten entlohnte.

Hoffentlich hat sie auch den Betrag

von den Bezügen derjenigen abgezogen, die eine Toilette ohne Aschenbecher einrichteten.

Man kann sich darüber mokieren, daß unser Held die Aschenbecher nur für die Herren- und nicht gleich auch für die Damentoiletten vorschlug. Ich möchte jedoch den Ministerialrat verteidigen - man muß nicht immer gleich die Verletzung des Gleichberechtigungsprinzips und männlichen Chauvinismus wittern. Vielleicht hat er beides getrennt als selbständige Verbesserungsvorschläge eingereicht - was ihm eine weitere Prämie einbringen könnte und sollte.

Möglich ist aber auch, daß der Verbesserer nicht wußte, ob es auf den Damentoiletten Aschenbecher gibt oder nicht, weil er sie nicht zu besuchen pflegt. Deshalb hatte er auch diesbezüglich nichts vorgeschlagen, weil ihm dazu die Legitimation fehlte. Die Verwaltung muß es aber wissen. Vielleicht könnte sie aus eigener Initiative - ohne Vorschlag - auch auf den Damentoiletten Aschenbecher anbringen und somit die Notwendigkeit eines weiteren Verbesserungsvorschlags und einer weiteren Prämie ersparen. Die Erledigung eines solchen Problems ohne Verbesserungsvorschlag könnte man natürlich auch als Verbesserungsvorschlag ansehen und die Prämie dem zuständigen Verwaltungsbeamten überweisen.

Falls jedoch die Bundestagsverwaltung nicht beabsichtigt, das Problem der Aschenbecher in den Damentoiletten des Abgeordnetenhochhauses in eigener Initiative zu lösen - Eigeninitiative ist im behördlichen Leben, wie bekannt, nicht immer ungefährlich - und falls kein Vorschlag von jemand anderem bereits vorliegt, bitte ich diese Zeilen als Verbesserungsvorschlag entgegenzunehmen, auch wenn er nicht auf dem üblichen Instanzenweg kommt.

Falls jedoch irgendein Beamter oder eine Beamtin einen gleichlautenden Vorschlag machen möchte, ziehe ich' meine Ansprüche zurück. Man muß das praktische Denken bei Beamten mit allen Mitteln unterstützen.

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