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Proletarier-schicksal

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„Wozu lernte er auswendig, wie man Austern aß, wenn er noch nie welche gesehen hatte?“ In dieser durchaus berechtigten Frage liegt das existentielle Grundproblem des Georg Klein beschlossen, der Hauptfigur in Gernot Wolfgru-bers neuem Roman „Niemandsland“. Georg ist ein strebsamer junger Hilfsarbeiter, der in einem Provinznest lebt und aus diesem wie aus seinem proletarischen Lebensraum auszubrechen sucht, um eine Position in den höhen Gesellschaftskreisen zu erlangen.

Auf dem anstrengenden Weg in die Hauptstadt kann er bedeutende Anfangserfolge erzielen. Im ersten Glücksgefühl seines sozia-

les Aufstiegs meint er, „aus einem halbbarbarischen Zustand in die Zivilisation gefallen“ zu sein; doch bald wird ihm klar, daß es das Traumreich seiner naiven Visionen nicht gibt. Er erkennt, wie profan es in dem von ihm so verehrten „Angestelltentempel“ zugeht, und schließlich schlägt seine Enttäuschung in Resignation um: Er weiß nicht mehr, wo er hingehört. Er steht zwischen zwei Klassen, zwischen zwei Welten - er ist „in ein Niemandsland geraten“. Wolfgruber stellt den existentiellen Zwiespalt seiner Romanfigur packend dar, indem er konsequent Georgs Gedankengänge auf zwei verschiedenen Sprachebenen führt. Alltagsjargon und Bildungsphrasen gehen andauernd neue Verbindungen ein.

NIEMANDSLAND von Gernot Wolfgruber. Residenz-Verlag Salzburg, 1978, öS 238,-.

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