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Psycho-Orpheus

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(Salzburger Festspiele, Felsen- reitschule; „Orpheus und Eurydi- ke" von Ernst Krenek) Jede Epoche hat die mystische Gestalt des Or- pheus anders gedeutet und in sei- nem Wesen andere Züge entdeckt. Die Salzburger Festspiele beschlos- sen ihren „Orpheus"-Zyklus mit Kreneks „Orpheus und Eurydike" aus dem Jahre 1923 mit dem ORF- Symphonieorchester und dem ORF- Chor unter Pinchas Steinberg.

Die dichte, dramatisch effektvol- le Wiedergabe machte vor allem die Wandlung der Opernfigur vom Götterliebling zum modernen Psy- chomonster spürbar. Bei Oskar Kokoschka, der den als Libretto verwendeten Text als Klagelied unter einem „Klagehimmel" nach einer schweren Verwundung im Ersten Weltkrieg schrieb, ist Or- pheus Zwangsneurotiker, dem „Höllenschlund des Grabenkriegs" entkommen, halb archaisch wild, halb pathologisch modern. Als Gratwanderer steigt er ins Unter- bewußtsein hinab und findet kei- nen Weg zurück - wie Kokoschka selbst, der der versengenden Liebe seiner einstigen Muse Alma Mahler zu entkommen trachtete.

Krenek beschert in seiner Musik Antike atonal verpackt, grell ge- zeichnet, messerscharf, die brisan- te Partitur ist voll aggressiver Ent- ladungen. Steinberg als Dirigent macht das Fiebrige, das In-Trance- Wandeln der Partitur bewußt. Sou- verän ist die Besetzung mit Dunja Vejzovic als Eurydike, Celina Lindsley als Psyche, dem Furien- terzett der Damen Kallisch, Schrek- kenbach und Geister. Ronald Ha- miltons Orpheus fehlte für diesen Taumel durch Liebestraum und To- desrausch die Inspiration.

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