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Das lietc Oeld

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Der Verpfänder

„Wer kann sein Eigentum behalten auf dieser Welt?“ meditierte er, als er seine Uhr ins Versatzamt trug.

Um die Uhr auszulösen, mußte er seinen Anzug verpfänden.

Lim den Anzug auszulösen, mußte er sein Bett verpfänden.

Er mußte selbst das Hemd am Leibe verpfänden.

Und als er nackt und aller Habe ledig dastand, bot er sich selber zum Pfand an. Er bekam statt barer Münze — nur Verachtung.

Der Pseudoidealist

Er haßt den Reichtum. Denn er macht meistens habgierig. Aus Habgier erschlug Kain den Abel. Aus Habgier wurden die meisten Kriege geführt. Aus Habgier werden Millionen Menschen ausgebeutet. Darum: Gebt den Menschen keine Chance mehr, Reichtum zu scheffeln.

Dann gibt es auch keine Habgier mehr.

Und die Menschheit ist gerettet.

Prophezeite der Idealist. —

Gestern lief ihm ein Bekannter über den Weg.

Sogleich begann der Idealist eine Brandrede gegen allen Reichtum loszuschmettern.

„Beantworten Sie mir eine Frage“, sagte sein Zuhörer am Schluß der Tirade. „Was würden Sie tun, wenn Sie plötzlich über Nacht zu Reichtum gelangen würden?“

„Ich würde meinen Reichtum sofort dem Wohle der Allgemeinheit opfern“, antwortete der Gefragte ohne Zögern. ,,Für Schulen und Kindergärten! Für Krankenhäuser und Laboratorien! Für die Ausrottung des Elends! Für...“

„Menschenskind“, unterbrach ihn der andere ungeduldig. „Ich will wissen, was Sie wirklich tun würden?“

„Ist das nicht dasselbe?“

„Dummkopf!“ rief sein Bekannter ärgerlich und ließ ihn stehen.

„Dieser infame Mensch!“ knurrte der Idealist im Weitergehen. „Obwohl. .. gesetzt dem Falle ... Was würde ich eigentlich tun . . . ?“

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