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Die Rumpelstilzchen-Menschen

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In manchen Familien geht es zu wie im Märchen von Rumpelstilzchen. Die Väter geben mit den Kindern an und schwindeln oft, daß sich die Balken biegen.

„Ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen!” Und das sagt der dumme Vater im Märchen ausgerechnet einem habgierigen König. Und der König will natürlich sofort eine Kostprobe des Goldmädchens haben. Leider hat das Mädchen nicht gesagt: „Geh Papa, erzähl doch kan Schmäh!” Oder zum

König: „Majestät, ich kann ja gar nicht Stroh zu Gold spinnen. Mein Papa hat Sie angeschwindelt.” Die Kinder sind eben viel zu brav.

Ja - und dann sitzt die arme Müllerstochter allein in ihrem Zimmer und weint. Aber damit ist die große Chance für das Rumpelstilzchen gekommen. Und das Mädchen ist begeistert. Das Rumpelstilzchen ist ein liebes, herziges Zwergerl, das ihr helfen will. Sie kann sich gar nicht vorstellen, daß das Rumpelstilzchen eine Art Cousin des Teufels ist.

Und im Leben ist es genauso wie im Märchen. Immer, wenn man in Not ist, taucht ein Rumpelstilzchen auf. Aber der Haken bei einem Rumpelstilzchen ist: Es hilft einem nicht aus Liebe oder Mitleid. F^s will etwas haben dafür. Und zwar immer mehr.

Von der Müllerstochter will es zum Beispiel zuerst das Halsband, dann den Ring und schließlich ihr Kind. Da hilft nur eines: Man muß rechtzeitig erkennen: Wer mir da seine Hilfe anbietet, ist in Wirklichkeit ein „Rumpelstilzchen”. Der will mir gar nicht helfen, der will nur meine Not ausnützen. Wer hätte nicht auch solche „Rumpelstilzchen” in seinem Bekanntenkreis? Und wahrscheinlich werden die Rumpelstilzchen-Menschen in absehbarer Zeit kaum aussterben. Aber selber könnte man ja immerhin uneigennützig helfen. Und darum sei die „Moral von der Geschieht'” noch gut jesuanisch formuliert: Wer hilfsbereite Freunde hat, wird auf kein „Rumpelstilzchen” hereinfallen.

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