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Rohes Ei

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Wenn es einem gegönnt ist, die absolute Top-Sensation der 108jährigen Geschichte aus dem Tennis-Mekka Wimbledon zu kommentieren, dann kann es schon passieren, daß man vor Aufregung die guten Manieren vergißt.

Während der neue deutsche Held — siebzehn Jahr, blondes Haar — nach mehr als dreistündiger Gegenwehr endlich seinen Finalgegner im Herrenbewerb „abgefertigt” hatte und damit den Weg für einen Boom an rührseligen und verkaufsträchtigen Schlagzeilen freigeschossen hatte, wagte es der Herzog von Kent doch tatsächlich, nicht schnurstracks auf den strahlenden Jüngling zuzustürzen.

Gemächlich schritt das herzogliche Paar auf den Platz — und blieb bei den Ballschanis stehen. Dieses Sakrileg, in allen Jahren davor als Geste gegenüber den Letzten in der Hackordnung der Tenniswelt verstanden, nahm der ORF-Sportreporter so persönlich, daß er den Small-talk nur als lächerlich empfinden konnte.

So als ob das Herzogspaar mit Boris Becker mehr als Belanglosigkeiten wechseln könnte. Denn dieser gehört sicher auch nicht herzoglichen Kreisen an, und für Heldenverehrung sind abgebrühte Präsentations-Profis wohl auch nicht so empfänglich.

Aber gut, daß sich der neue Star der Sportwelt im fernen England entpuppt hat. Im Ausland schwätzt es sich leichter, ist eine Reporterweisheit, die nicht nur als ehernes Gesetz für den Sport gilt.

Sieht man daneben, wie sich auch — oder besser gerade — Sportreporter der österreichischen Obrigkeit untertänig nähern, dann weiß man, welch rohes Ei Sprache sein kann.

Manieren haben offensichtlich doch nicht wenig mit Sanktionsmöglichkeiten zu tun.

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