Wie einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, hängen Art und Weise eines Telefongesprächs wesentlich"von der Telefonumgebung ab. Das heißt: Ist das Telefonambiente freundlich-blumig, dann sind es auch die dort geführten Gespräche. Ist es hingegen rund ums Telefon nüchtern und kalt, so sind auch die Gespräche dementsprechend.
Die Vereinigung „Freundliche Telefonzelle" hat daher nun endlich zur wohnlichen Ausgestaltung der öffentlichen Telefonzellen aufgerufen. Erste Maßnahme: Die Telefonzelle, die schon vom Namen her nach Gefängnis, Quarantäne oder sonst einer Art der Freiheitsberaubung riecht, wird in Elektrokontaktakustikroom umbenannt. Dann wird die Bevölkerung aufgerufen, diese EKAR, wie sie in der vereinfachten Postsprache heißen, geschmack- und phantasievoll auszugestalten.
Drei genehmigte Modelle stehen dabei zur Auswahl: Das HM, das Hun-dertwassermodell mit Biotoilette, Zwiebelturm, Dachgarten und eingebautem Fensterrecht.
Dann das KM, das Koalitionsmodell mit rot-schwarzen Vorhängen, einer Kuschelecke und weißrotem Nelkengarten.
Und letztlich das BM, das blaue Modell mit Erfolgsgirlanden, Bärenfellsitz und speziell großer Plaudermuschel.
Erste diesbezügliche Umfrageergebnisse werden noch streng geheim gehalten, deuten aber auf eine Überraschung hin. Bei allen drei Varianten ist eine Telefonbuchzeichentafel vorgesehen, damit nervösen Zeitgenossen die Möglichkeit der Abreak-tion gegeben ist. Sterndeuter und sonstige Seelenschnüffler haben bereits ihr Interesse an der Auswertung dieser Zeichentafel bekundet. Besagte Personen wollen daraus nämlich ein Psychogramm des modernen Langzeittelefonierers erstellen.
Aufgrund all dieser Ergebnisse will man eine gezielte Telefonmarktpolitik betreiben, die notorische Nichtte-lefonierer an die Kandare nimmt. Sollte jemand die Absicht haben, von einer Zelle aus eine Nacht lang durch-zutelefonieren, so besteht durchaus die Möglichkeit, eine frei gewählte Zelle für einen Pauschalbetrag zu mieten. Vorhänge, Mitternachtsjause, Minibar und transportables WC werden mitgeliefert. Befürchtungen, daß solche Mietzellen zu telefonfremden Betätigungen mißbraucht werden, bestehen nicht.
