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Scharfäugig

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Durch Apperzeptionsfähigkeit ausgezeichnete Essays zu veröffentlichen, ist in einer Ära der Geschwätzigkeit und Uneigentlichkeit zu einem einigermaßen schwierigen Unterfangen geworden. Wenn es dem englischen Kunsthistoriker, Kulturkritiker, Maler und Schriftsteller John Berger immer wieder gelingt, den Leser an seinem geschärften Blick „auf die Sachen selbst” teilhaben zu lassen, dann wird dies aus seiner artistischen, von der Phänomenologie geprägten Schule des Sehens erklärbar.

1981 gab er übrigens das vieldiskutierte Buch „Die Kunst des Sehens” heraus. Bergers stupende Vielseitigkeit wird auch durch diese bisher umfassendste Sammlung seiner Essays den konzentriert-kontemplativen Leser unschwer bestechen können, ihn durch Wort und Bild einen der Zugänge zum dahinterliegenden Teil unserer „entzauberten Welt” (Max Weber) eröffnen.

Ob er Dürers Selbstbildnisse recht unkonventionell interpretiert, oder ob er über die Stellung Manhattans in Vergangenheit und Gegenwart meditiert, immer möchte der Autor den Kern der Sache treffen, in dem er hindurchzusehen scheint, um den Schatten des Wesenhaften zu erfassen. •

Solche Präzision im Denken, das sich gleichermaßen wortgewandt an die Leserschaft richtet, ist rar. Man muß Bergers Anschauungen nicht immer zustimmen, doch der Essayband, der noch durch Bildbeispiele und eigene Gedichte angereichert ist, bildet dennoch eine heute wahrhaft selten gewordene Insel des Genusses!

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