7213014-1992_38_13.jpg
Digital In Arbeit

Schlußlos

Werbung
Werbung
Werbung

Ein verheirateter Mann und eine verheiratete Frau fahren auf ein Wochenende miteinander seitenspringend nach Italien. Da der Mann ein Fußballfan ist, gehen sie zu einem Fußball-Europapokal-Finalspiel. Wie das Leben angeblich so spielt, überträgt die neugierige Fernsehkamera die beiden in voller Größe auf viele Millionen Fernsehgeräte, und zwar in dem Moment, als sie einander inniglich küssen. Die Kinder des Mannes sehen es, die Verwandtschaft sowieso und die lieben Kollegen im Büro auch.

Der Ehemann der untreuen Seitenspringerin ist ein liberaler Freigeist, ihn stört bloß, daß seine Frau ausgerechnet mit einem spießigen Bankbeamten ins Wochenende geflogen ist. Die sich verraten fühlende Ehefrau dagegen schreitet zum Tribunal. Ein herbeigeholter Freund samt dessen Gattin führen dem Übeltäter die Femsehübertragung vor, und weiteres Leugnen ist zwecklos: angesichts der Großaufnahme bleibt nurmehr ein volles Geständnis.

Die verzweifelte Ehefrau flüchtet in ihrem Gram zur Mutter, die es ohnedies immer schon gewußt hat. Der Freigeist bleibt trotz der ungeliebten Person des Widersachers offensichtlich im seelischen Gleichgewicht, und irgendwann hört die ganze Geschichte unvermittelt auf.

Der Autor überläßt es „der Vorstellungskraft des Lesers“ sich „über diese letzte Szene hinaus“ einen Reim zu machen. Der Autor betrügt uns um einen ordentlichen Schluß - es gibt weder eine Moral noch eine Unmoral von der Geschichte. Die Fremdgegangenen bleiben scheinbar ebenso frustriert zurück wie der Leser. Ob man den lockeren Ton dem wenig lockeren Thema für angemessen hält, muß jeder für sich selbst entscheiden.

EINE ÖFFENTLICHE LIEBE. Von Raymond Jean. Schneekluth Verlag, München 1992.147 Seiten, öS 218,40.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung