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Schmerzgrenze

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Angesichts der zahllosen historischen Raufereien zwischen Bayern und Tirolern ist der Begriff "Schmerzgrenze" so neu und ungewöhnlich auch wieder nicht. Derzeit streiten die benachbarten Stammesbrüder aus zwei benachbarten Republiken darüber, bei wem mit größerem Anspruch auf Mitleid die Schmerzgrenze erreicht ist.

Die Tiroler im Inntal werden seit vielen Jahren von Lärm, Dreck und Abgasen des ständig wachsenden Verkehrsstroms über den Brenner belästigt. Bei uns in Bayern ist die Belästigung aber nicht geringer, lediglich das Tal nicht so eng.

Aber jetzt halten die Tiroler ihre Schmerzgrenze für erreicht und haben ein Nachtfahrverbot sowie eine Reihe weiterer Maßnahmen zur Einschränkung des Transitverkehrs von Gütertransporten beschlossen. Was uns dabei wirklich wundert, ist der originelle Begriff "ÖKO-Maut", wo doch Fremdworte wie "Ökologie" oder "Naturschutz" gerade bei der Tiroler Landesregierung bisher entweder unbekannt oder verpönt waren. Aber wenn’s Geld dafür gibt…! Der Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium Alfons Zeller hat nun erklärt, daß im Falle der Verwirklichung der Tiroler Restriktionen auch für Bayern die Schmerzgrenze erreicht wäre. Das Groteske daran ist, daß keiner der Anrainer an der Schmerzgrenze für die Umweltbelastung von der Transit-Autobahn verantwortlich ist und im Grunde beide recht haben.

Bayern wehrt sich nun dagegen, daß wegen des Nachtfahrverbotes der gleichbleibende LKW-Verkehr während der Tageszeit massiert wird.

Besonders seltsam kommt es uns in Bayern vor, daß österreichische Lastwagen durch großzügige Ausnahmeregelungen weitgehend verschont bleiben sollen. Offenbar, weil deren Krach und Gestank zur heimatlichen Duft- und Geräuschkulisse gehören.

Demgegenüber hat Bayern gemeinsame Maßnahmen vorgeschlagen, um die Einführung schadstoffärmerer und leiserer LKWs zu beschleunigen, die Kapazitäten des Schienentransportes zu verbessern und das Sicherheitsrisiko bei gefährlichen Ladungen zu verringern.

In Wirklichkeit wissen beide Seiten, daß eine wirklich spürbare Abhilfe erst kommen kann, wenn endlich der Brenner-Basistunnel ßr die Eisenbahn fertig ist. Darauf haben aber beide Verwandten wenig Einfluß, weil die ständige Verzögerung mehr ein Problem auf der italienischen Seite ist.

Sollen sich jetzt deshalb Bayern und Tiroler wieder einmal auf ihre Sturköpfe klopfen? Da wäre es doch besser, sich gegen den Rest der umweltverschmutzenden EG-Welt zusammenzuschließen. Wahrscheinlich haben halt die Tiroler nur ein "Nacktfahrverbot" angedroht, worauf die Bayern ihre "Scherzgreme" erreichten.

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