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Schrammein am Nil

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(„Kleopatra und das Krokodil" von Gerhard Lampersberg - Uraufführung auf den Berliner Festwochen) Die Zeiten haben sich nicht so sehr geändert. Für Exotisches schwärmte man damals, um 1900, genauso wie heute. In München wurde 1876 eine „Antike Spazierfahrt auf dem Nil" von Hans Makart ausgestellt; vermutlich hat sich der vielseitig begabte Paul Scheerbart von die- 11 sem Bild 1910 für seine theatralische Satire „Kleopatra und das Krokodil" anregen lassen: Während einer Nilpartie der Kleopatra wird ihre Schneiderin Mares-sa von einem Krokodil gefressen. Es zeigt nicht den geringsten Respekt vor königlicher Macht und muß dafür sein Leben lassen, denn Maressa schneidet ihm vori innen den Bauch auf, mit Hilfe ihrer vergoldeten Schere, eines Geschenks der Kleopatra. Der Mond scheint hell und die Sphinx leuchtet, die Welt ist wieder in Ordnung.

Zu diesem phantastischen Nonsens hat der österreichische Komponist Gerhard Lampersberg eine Musik geschrieben, die ihren satirischen Charakter gerade aus dem Ernst bezieht, mit dem sie der Textvorlage begegnet. Eine auf sieben Spieler erweiterte Schrammel-Besetzung gibt als gediegen ausgehörtes Filigran den Grund, auf dem Alt und Sopran sich opernhaft gebärden.

Erst wenn man sehr genau hinhört, klingt das Ganze gewollt schräg: Die postserielle Moderne, längst von neuromantischen Krokodilen gefressen, befreite sich mit vergoldetem Wiener Schmäh, zur Kunst geworden durch den Tonfall eines Empfindsamen. Die Festwochen-Marginalie von knapp 25 Minuten, mit Feingefühl realisiert von der Berliner Kammeroper, traf auf entschiedene Zustimmung des Publikums.

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