(West-Berliner Schaubühne, „Der Park" von Botho Strauß) Peter Stein ist dieser schwierige Theatertext von seinem Autor Botho Strauß gewidmet. Ein Danaergeschenk? Sind in diesem „Park" Banalitäten hängengeblieben wie im Gebüsch der Wohlstandsmüll, über den der Scheinwerfer zu Anfang streift? Handelt es sich gar nur um „ambitiöses Kabarett", wie schon zu lesen war? Doch wohl nicht.Freiburg war, durch einen Berliner Schauspieler-Unfall, die Uraufführung zugefallen, die Münchner Kammerspiele, Göttingen und Darmstadt folgten noch vor der Berliner Schaubühne;
(„Kleopatra und das Krokodil" von Gerhard Lampersberg - Uraufführung auf den Berliner Festwochen) Die Zeiten haben sich nicht so sehr geändert. Für Exotisches schwärmte man damals, um 1900, genauso wie heute. In München wurde 1876 eine „Antike Spazierfahrt auf dem Nil" von Hans Makart ausgestellt; vermutlich hat sich der vielseitig begabte Paul Scheerbart von die- 11 sem Bild 1910 für seine theatralische Satire „Kleopatra und das Krokodil" anregen lassen: Während einer Nilpartie der Kleopatra wird ihre Schneiderin Mares-sa von einem Krokodil gefressen. Es zeigt nicht den
„Das System der Bedürfnisse — Hegels Philosophie der Familie und der Bürgerlichen Gesellschaft": dies war das Thema des XV. Kongresses der Internationalen Hegel-Gesellschaft an der Erasmus-Universität in Rotterdam.Nachdem sich der harte marxistische Kern aus der Hegel-Gesellschaft zurückgezogen und in der „Internationalen Gesellschaft für dialektische Philosophie" neu formiert hatte, ging es auf dem Kongreß der von Wilhelm Raimund Beyer (Salzburg) gegründeten Hegel-Gesellschaft nicht mehr um den ideologischen Ost-West-Gegensatz. Gleichwohl konnten Philosophen aus Polen,
Wäre „Frühlings Tod", dieses neunminütige Fragment eines instrumentalen Requiems auf den sterbenden Frühling als Symbol eines verlorenen Paradieses auch uraufgeführt worden, wenn nicht ein 24jähriger Komponist namens Arnold Schönberg die Symphonische Dichtung unvollendet hinterlassen hätte? Sicher nicht, aber in den 137 Takten nach Nikolaus Lenau, in denen sich die musikalischen Strömungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts vielfältig brechen, wird die musikalische Folie hörbar, die später (so ein Kritiker-Kollege) zur „musikalischen Währungsreform" der
Dieses 26. Internationale Festival für zeitgenössische Musik, zehn ereignisreiche Tage lang, mit drei, an Wochenenden vier Konzerten pro Tag, nahezu einhundert Kompositionen, von denen mehr als die Hälfte zum ersten Mal in Polen gegeben wurden (und zwölf Stücke Urauffüh rungen waren), diese Demonstration des Kunstwillens in lastender Zeit mußte wohl stattfinden. Obgleich es sicher nicht wenige Menschen im Lande gibt, die der Meinung sind, es wäre besser gewesen, der „Warschauer Herbst“ mit seiner sorgsam ausbalancierten Öffnung nach West und Ost hätte sich diesmal verweigert: Er
„Symbolismus, Futurismus — Aspekte russischer Kunst zu Beginn unseres Jahrhunderts“ lautet das Zentralthema der 33. Berliner Festwochen 1983. Zu den Symbolisten in der Musik läßt sich vor allem Aleksandr Skrjabin zählen, Vaterfigur der russischen Futuristen; ein Ekstatiker und Gottsucher, der sich dem Titanen Prometheus verbunden fühlte, Schöpfer des freilich bruchstückhaft gebliebenen Gedankengebäudes einer Kunst-Religion, zugleich für die Weiterarbeit am rein musikalischen Stoff fast so bedeutend wie der zweieinhalb Jahre später geborene Schönberg.Dieser war im Dezember 1912
Wagners „Walkürenritt" untermalt nicht nur den Hubschrauber-Angriff auf ein vietnamesisches Dorf (.Apocalypse now"), sondern auch die Werbung im amerikanischen Femsehen. Walküren reiten für Waschmaschinen. Der Bayreuther Zauberer ist für vieles nutzbar: für Philosemi-tismus und für Antisemitismus, für die heroischen Töne eines pomphaften Nationalismus und für radikalen Pazifismus, sogar für und wider die deutsche Einheit.All das war im Verlauf einer Tagung des zur Universität Bayreuth gehörenden Forschungsinstituts für Musiktheater auf Schloß Thumau zu erfahren, gemeinsam mit
Im Wagner-Gedenkjahr produzierte Bayreuth szenisch ein britisches „Ring“-Debakel, dem die Tetralogie auch musikalisch nur mühsam standhielt. Wagners Szenenanweisungen beim Wort nehmen, mit den heutigen Möglichkeiten der Theatertechnik und einem neuen Sänger-Typus: das war der Traum von Georg Solti.Unausgesprochenes Feindbild aber war der französische „Jahrhundert-,Ring “, die Bayreuther Inszenierung von Patrice Chereau (1976-80). Ihr sollte mit einer „romantisch-illusionistischen“ Lösung von Peter Hall, Direktor des englischen Nationaltheaters und Solti-Freund, Pari geboten
Das Internationale Institut für vergleichende Musikstudien und Dokumentation in West-Berlin sieht im zwanzigsten Jahr seines Bestehens einem neuen Arbeitsabschnitt entgegen: Die Verbindung von Forschung und Praxis soll intensiviert werden. Faszinierende Einblicke in die Gegenwart überlieferter Kunst-Praxis außerhalb des christlich-abendländischen Einflußbereichs vermitteln die jährlichen Festivals traditioneller Musik, jeweils mit einer Europa-Tournee der beteiligten Gruppen verbunden; das siebte, Japan betreffend, stellte an Eindringlichkeit und Einheitlichkeit seine Vorgänger in den
(Deutsche Oper Berlin; „Die tote Stadt" von Erich Wolfgang Korngold) Rundheraus: Dies ist ein Opernschmarren, aber ein genialer - anno 1920 das Werk eines frühreifen Sensibilisten von 23 Jahren. Eine Partitur, in der es wagnerisch wabert, puccinesk exotisch tönt, der Quintfall ein harmoniesüchtiger Kniefall vor tränenwonniger Sentimentalität ist, der Ferne Klang dem Publikum einschmeichelnd und zuweilen aggressiv naherückt.Unnachahmlich, wie damit eine als Traumhandlung dargestellte Psycho-Kur in Gang gesetzt ist, in der eine sinnenfrohe Tänzerin zur Akteurin im Reliquienkult um eine
(Komische Oper Ost-Berlin; „Lear“ von Aribert Reimann) Aribert Reimann, Sohn eines Berliner Kirchenmusikdirektors, ist ein Erfolgskomponist. Wenn bedeutende Werke von ihm aufgeführt werden wie jetzt in West- Berlin das „Requiem“, wenige Tage später an der Komischen Oper in Ost-Berlin der „Lear“, bezeugen politische Würdenträger ihre professionelle Aufgeschlossenheit, sind Zeitungen von gegensätzlicher Ideologie der gleichen positiven Meinung, und sogar das Publikum jubelt. Zweifellos: das stimmt skeptisch, reizt zum Vorurteil.Das größte Verdienst der von dem jungen
Irgend jemand hat auf dem Weltmusikfest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) in Graz - Eröffnung in Mürzzuschlag, Finale in Wien — 127 aufgeführte beziehungsweise vom Tonband abgespielte Werke gezählt. Eine Blütezeit für die Neue Musik? Gewiß nicht; es hätten auch 127 andere Stücke sein können.Das Treffen der Insider aus 27 Nationen von insgesamt dreißig, die in der heuer sechzig Jahre jungen IGNM vertreten sind, hatte andere Aspekte. Erstens: eine publikumsfreundliche Programmierung; bestechend gelungen im „open house" von Mürzzuschlag (Aula des
(Deutsche Oper, Berlin; „Orpheus und Eurydike” von Christoph Wülibald Gluck) Achim Freyers Opern-Inszenierungen verursachen Wut. „Buhgeheul” in München jetzt ein Beinahe-Skandal als Reaktion in der Deutschen Oper Berlin. Stets scheint es das Gleiche zu sein, wafc so extrem verstört: die Brechung des Grauenhaften durch das Komische, die innige Verschränkung von Genie und Kitsch.Dabei ist alles so einfach. Freyer ist nicht ein Bühnenbüdner (und Maler), der inszeniert, sondern er hat sein Regiehandwerk gelernt, sogar bei Brecht. Freyer untersucht mittels Musiktheater die
(Schaubühne Berlin; „Kallde-wey, Farce” von Botho Strauß) Nach der Hamburger Uraufführung von „Kalldewey, Farce” waren die Kritiker-Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos. Njels-Peter Rudolph war in zweistündiger Parforcejagd ohne Pausen durch den Text gerast.Die Berliner „Schaubühne” machte natürlich alles anders, setzte nicht auf die pure Farce; Regisseur Luc Bondy ließ mit zwei ausgedehnten Pausen fast dreieinhalb Stunden spielen. Das bewirkte Klärung und — Hinwendung zum Ritual.„Kalldewey, Farce” spielt mit seiner eigenen Form; wer sich darauf einläßt, sich
Wenn der Name Darcy Ribeiro fiel, gerieten die sonst sö kühlen, und in Berlin eher hinter einer Maske von Schnodderigkeit sich verbergenden Soziologen in spürbare Erregung. In der Tat ist Ribeiro einer der bekanntesten brasilianischen Sozialwissenschafter und Völkerkundler; außerdem hat er einen kriminalistisch getönten Roman über das Leben der Amazonas-Indios geschrieben, „Maira”, der 1980 auch auf deutsch erschienen ist, war er Gründungsrektor der Universität von Brasilia und neun Jahre Erziehungsminister—ehe er ins Exil ging. Ein Unbehauster, ein (freilich privilegierter)
Zwei Begriffe wurden auf dem von Salzburger Psychologiestudenten massiv attackierten „Psychotherapeutischen Forum 1982" Anfang Februar von Gutwilligen immer wieder ins Spiel gebracht: die Interdisziplinarität und die Privatinitiative. Keine Frage, daß die Psychotherapien in verschiedene Schulen aufgespalten sind, von denen jede das Heil gepachtet zu haben glaubt; das gilt auch für die bekannteste unter diesen Therapien, die Psychoanalyse.Die Methodenvielfalt im sogenannten „Psychoboom" ist einanderes Kapitel. So unterschiedlich die Techniken auch sein mögen: die meisten
(Schaubühne am Haifischen Ufer Berlin; „Der Dibbuk“ von Bruce Myers) „Der Dibbuk“ ist ein amerikanisch aufbereitetes jiddisches Legendenstück - in deutscher Sprache gegeben - für ein Schauspieler-Doppel. Mehrfache Metamorphose also; das Volksstück aus dem Umkreis der Kabbala von dem weißrussischen Juden Salomo Rappaport (der sich nach dem Vornamen seiner Mutter An-ski nannte) war zu einem Zwei-Personen-Balanceakt und Beinahe-Reißer durch Bruce Myers geworden, der — ein Engländer rumänisch-jüdischer Abstammung - im originalen „Dibbuk“ am Off-Broadway gespielt und seine
(Deutsche Oper Berlin; „Mon- tezuma“ von Carl Heinrich Graun.) Das Preußenjahr endete jetzt mit Musik, zu der Friedrich II., genannt „der Große“, die Worte geliefert hat: Die Deutsche Oper Berlin brachte in Co-Pro- duktion mit der Berliner Festspiele GmbH „Montezuma“ des Hofkapellmeisters Friedrichs, nach einem französischen Libretto seines königlichen Brotgebers, das der amtierende Hofpoet Tag- liazucchi in italienische Verse übersetzt hatte, wie es Opernbrauch war.Fünf Aufführungen des Azte- ken-Dramas fanden jetzt — in deutscher Sprache und einer ziemlich
(Komische Oper Berlin/DDR: „Die Meistersinger von Nürnberg" von Richard Wagner) In deutschen Landen ist das wohl der Brauch: Zur Weihe des (Opern-)Hauses Wagners „Meistersinger" ihr etwas dubiosesPreissingen um des Goldschmieds Töchterlein abhalten zu lassen. An der Komischen Oper begann zwar nur ein neuer Abschnitt in der kurzen (Nachkriegs-)Geschichte, aber der war gewichtig genug, denn er brachte Neubesetzungen in fast allen künstlerisch verantwortlichen Positionen.„Chefregisseur" Harry Kupfer gelang in offensichtlichem Einvernehmen mit dem „Chefdirigenten" Rolf Reuter und dem
(Bayerische Staatsoper München; „Lou Salome“ von Giuseppe Sinopoli - Uraufführung) Geplant war ganz anderes: eine Opern-Trilo- gie über das Vorfeld des Faschismus, jene Kulturkrise, die bereits im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts einsetzte. Dann brach über den erfolgreichen Komponisten und Wiener-Schule-Kenner Giuseppe Sinopoli - ihm selber wohl rätselhaft - der Dirigentenruhm herein.Außerdem verliebte er sich in Lou Andreas-Salome, eine Zeugin jener Kulturkrise, geniale Intellektuelle mit sinnlicher Ausstrahlung, Kulturschöpferin durch ihre Freundschaft zu den Berühmtesten
(Deutsche Oper Berlin: „Aus • Deutschland“ von Mauricio Kagel; Uraufführung) Heines Grenadier legt sich mit Waffen in den Sarg, um nach verlorenem Krieg den Kaiser zu schützen, wenn er übers Grab hinwegreitet - und aus dem Sarg springt der Schwarze König, singt Blues. Auch Goethe, in der von Tischbein gemalten Pose das Lied Gretchens am Spinnrad intonierend, verwandelt sich in einen Blues- Sänger.Die „schwarz-weißen und weißschwarzen Übergänge“, Hinweise auf die Sklaverei in Amerika zur Zeit der europäischen Romantik, sind eines der Mittel, die Mauricio Kagel anwendet,
(Berliner „Schaubühne“: „Klassen-Feind“ von Nigel Williams) Vielleicht ist es ein rüdes, realistisches Stück. - von Brixton, einem Südlondoner Stadtteil, nach Berlin- Kreuzberg verlegt, auf dem Hintergrund der Berliner Krawalle in einer der letzten Kreuzberger Theater- Produktionen der berühmten „Schaubühne“. Es stellt Jugendliche vor, die Krawall machen, und deutet an, wie sie dazu kamen.Sollte das Stück von Nigel Williams in der lokalisierenden Schau- bühnen-Bearbeitung von Jürgen Kruse und Peter Stein (deutsche Erstaufführung) so gemeint sein, böte es, unter
„Das grundsätzlich Neue unserer Epoche, die Spontaneität der Kunst...“: Roman Haubenstock- Ramati, der aus Krakau gebürtige, in Wien lebende Komponist, dessen Name sich mit der „musikalischen Graphik“ verbindet, notierte dieses Credo 1962. Schon rund ein Jahrzehnt war er damals dem „versprochenen Land“ der Avantgarde auf der Spur, und er sah es konkret vor sich - zwischen Traum gleich Kunst und Wissenschaft gleich Naturbeherrschung, mit gegenseitiger Anziehung und Befruchtung. Ihm, der sieben Jahre Professor Tür Komposition an der Musikakademie in Tel Aviv war und immer wieder
(Komische Oper, Berlin, DDR: „Arminius“ von Heinrich Ignaz Franz Biber). Der römische Kaiser Tiberius, alt und gebrechlich, hat einen Herzschlag erlitten, und über seine Leiche hinweg wird zum nächsten Beutezug gerufen: So endet, abweichend vom Original, „Arminius“ an der Komischen Oper in der ersten Wiederaufführung nach rund dreihundert Jahren. „Arminius“ ist das einzige erhaltene musiktheatralische Werk Bibers, der Hofkapellmeister beim Salzburger Fürsterzbischof war und Nachruhm vor allem durch seine Instrumentalmusik erlangt hat.Das Finale bietet
(Komische Oper, Berlin) Alban Bergs „Lulu", die vollständige mit dem von Friedrich Cerha hergestellten dritten Akt, geht in einer ungeahnten Aufführungswelle über die Opernbühnen: Nach Paris, Santa Fe, Zürich und Frankfurt folgte jetzt Ost-Berlin mit einer Inszenierung von Joachim Herz an der Komischen Oper. Herz gelangte auf diese Weise zu einer bei aller Komö-diantik formal eher strengen Lösung, seine Version der Oper ist in einem sehr weitgefaßten Sinn freudianisch: einander gegenübergestellt sind Lustprinzip und Realitätsprinzip - mit deutlicher Sympathie für das