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Nicht ausgeflippt

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(Berliner „Schaubühne“: „Klassen-Feind“ von Nigel Williams) Vielleicht ist es ein rüdes, realistisches Stück. - von Brixton, einem Südlondoner Stadtteil, nach Berlin- Kreuzberg verlegt, auf dem Hintergrund der Berliner Krawalle in einer der letzten Kreuzberger Theater- Produktionen der berühmten „Schaubühne“. Es stellt Jugendliche vor, die Krawall machen, und deutet an, wie sie dazu kamen.

Sollte das Stück von Nigel Williams in der lokalisierenden Schau- bühnen-Bearbeitung von Jürgen Kruse und Peter Stein (deutsche Erstaufführung) so gemeint sein, böte es, unter gesellschaftskritischem Aspekt, wenig Neues. Es stammt aus der Nachfolge der englischen Realisten in den fünfziger und sechziger Jahren, Osborne und Wesker, und es hat (im Gegensatz zu Weskers Arbeiten) nicht das, was man eine „politische Perspektive“ nennen könnte; in der Schilderung von Perspektivelosigkeit aus der Sicht des „rein menschlichen“ besteht sogar sein Wahrheitsgehalt.

Sechs Schüler agieren, einer von ihnen ist Türke: Eine Orgie in Selbsthaß, Anrennen gegen Wände, die gesellschaftlich gemachte Brutalität kehrt sich mangels Außenkontakten gegen die eigene Gruppe; von den Lehrern sind sie alleingelassen, aufgegeben. Die Gruppe hat zwei „Anführer“: Den permanent Aggressiven, der ständig „unter Dampf* steht, die tyrannische Lehrerrolle spielt - eine Vaterfigur. Der andere reagiert (ohne aus dem Sprachduktus zu fallen) mit Tröstung, Zuspruch, der Gewißheit einer Chance, der Mahnung zur Geduld - das Mutterbild.

Also ein psychoanalytisches Stück? Auch das. Ein Lehrer, ein Helfer von außen, ist auch am Ende nicht in Sicht - im Gegenteil: Godot kommt nicht und die Klasse wartet auch nicht mehr, oder sie wartet in Ewigkeit...

Ein biblisches Stück denn? Tat sächlich auch das. Die „Mutter“ (im Original: Skylight) bereitet eine ärmliche Speise, und das ist, sieht man genau hin, nun wirklich das Abendmahl. Das Biblische an „Klassen-Feind“, auch in der Berliner Fassung, ist die Hoffnung, das winzige Stückchen Utopie. Regisseur Peter Stein und seine jungen, schon für den Umzug an den Kurfürstendamm engagierten Schauspieler halten sie für realistisch..

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