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Schwieriger Partner

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Eine „unkooperative“ Haltung gegenüber den Agrarproble-men der EG hat der französische Landwirtschaftsminister Jacques Chirac Großbritannien vorgeworfen. Er bezweifelte auch, ob Großbritannien angesichts der wiederholten britischen Forderung nach Zugeständnissen überhaupt in der Lage sei, an der Arbeit der Gemeinschaft teilzunehmen.

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Eine „unkooperative“ Haltung gegenüber den Agrarproble-men der EG hat der französische Landwirtschaftsminister Jacques Chirac Großbritannien vorgeworfen. Er bezweifelte auch, ob Großbritannien angesichts der wiederholten britischen Forderung nach Zugeständnissen überhaupt in der Lage sei, an der Arbeit der Gemeinschaft teilzunehmen.

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Natürlich vertrat Chirac das Interesse der französischen Landwirte. Sie sind in erster Linie Nutznießer der Agrarpolitik der EG. Bestimmt sollte die scharfe Äußerung seine Verhandlungsposition stärken. Trotzdem: nach mehr als drei Monaten Zugehörigkeit hat sich Großbritannien zu Recht oder zu Unrecht den Ruf eines schwierigen Partnerlandes erworben.

Ohne Zweifel hat Großbritannien die gemeinsame Agrarpolitik der EG als einen der „Eintrittspreise“ akzeptiert. Aber es gibt keinen Grund, weshalb es nicht auf die offenkundigen Nachteile dieser Politik hinweisen oder sich für ihre Änderung einsetzen sollte. Immerhin handelt es sich um eine Politik, die eine leistungsfähige Agrarwirtschaft nicht gerade fördert. Außerdem ergeben sich dadurch für Großbritannien, das

in großem Umfang auf Lebensmitteleinfuhren angewiesen ist, besondere Belastungen.

So hat man mit ziemlicher Empörung auf die Entscheidung reagiert, einen Teil des Butterberges der EG zu Schleuderpreisen an die UdSSR zu verkaufen und ganz im allgemeinen hat sich Großbritannien sehr entschieden gegen erhöhte Agrar-preise gewandt, weil sie eine ernste Bedrohung der Preis- und Einkommenspolitik der britischen Regierung darstellen. Trotzdem ist es eindeutig zu einem Kompromiß im Interesse der Gemeinschaft bereit.

Ferner hat Frankreich ständig Ungeduld im Hinblick auf die britische Entscheidung gezeigt, den Wechselkurs des Pfundes weiterhin freizugeben und sich dabei nicht nach anderen zu richten. Man sollte jedoch

bedenken, daß eine vorzeitige Fixierung der Parität eine Krise in der Zahlungsbilanz auslösen könnte, die der Eruopäischen Gemeinschaft unendlich viel mehr schaden dürfte. Großbritannien kann die Parität erst festsetzen, wenn es mit seinen jetzigen Schwierigkeiten fertig geworden ist.

In der britischen Bevölkerung neigt man dazu, einige der derzeitigen Schwierigkeiten des Landes auf die Mitgliedschaft in der EG zurückzuführen. Anderseits wird man sieh aber immer mehr darüber klar — selbst in der Labour-Partei und der Gewerkschaftsbewegung —, daß die Beitrittsentscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann und daß es jetzt darauf ankommt, die durch die Zugehörigkeit geschaffenen neuen Möglichkeiten zu nutzen. So denkt jedenfalls ein Großteil der britischen Industrie und des Handels. Man will sich die neue hohe Wachstumsrate der britischen Wirtschaft zunutze machen.

Allerdings wird es ganz eindeutig Anfangsschwierigkeiten geben, während sich Großbritannien auf seine

neue Rolle einstellt. Einige der Vorteile für Großbritannien werden sich erst im Laufe der Zeit ergeben. Eins steht jedoch außer Zweifel: Premierminister Heath und seine engsten Mitarbeiter haben sich nicht nur der EG verschrieben, für sie bedeutet die Gemeinschaft auch viel mehr als ein bloßer wirtschaftlicher Zusammenschluß.

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