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Sehen und gesehen werden

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Das Kaffeehaus, erfüllt vom Rasseln der Kaffeemaschine, vom Klappern der Kaffeetassen und vom Gewirr der Stimmen, ist der beliebteste Ort, um zu beobachten oder beobachtet zu werden.

Drei Damen plaudern angeregt über ihre Krankheiten und die Behandlungsmethoden der Ärzte. Eifrig tauschen sie Erfahrungen über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkung der verabreichten Medikamente aus.

Ein Liebespaar, von den älteren Damen mißbilligend gemustert, registriert sein Umfeld nicht im geringsten. Händchenhaltend flüstert einer

dem anderen so manches ins Ohr.

Eine Dame, auffallend geschmacklos gekleidet, mit Schmuck beladen, verzehrt mit weggespreizten Fingerchen ihren kalorienarmen Salat. Kauend blickt sie umher und stellt ihren zweifelhaften Geschmack zur Schau.

Vier Touristen kämpfen sich - zwischen Apfelstrudel und Kaffee - durch die großen Stadtpläne Wiens. Eine umgestoßene Tasse verursacht dabei einen großen Kaffeefleck -genau vom Stephansdom bis zum Riesenrad.

Eine Blondperückte trinkt mit zittriger Hand ihren koffeinfreien Kaffee. Doch leider klebt die knallig rote Farbe von Chanel statt auf den Lippen, nun auf der Kaffeetasse. Mit Lippenstift und Spiegel wird dieses

Manko schnell behoben.

Zwei Mädchen, schick und modern gekleidet, genießen es, gesehen zu werden. Kichernd beraten sie sich, wie sie den netten Burschen aus der achten Klasse umgarnen könnten.

Ein distinguierter Herr mit leicht ergrautem Bart liest gemütlich seine Zeitungen. Auf das Tagesgeschehen völlig konzentriert, ist die Schlagobershaube seiner Melange bereits zerronnen. Doch auch er kann es sich nicht verwehren, hie und da seine Aufmerksamkeit auf die anderen Kaffeehausgäste zu richten.

Vielleicht sitzen auch Sie mit ihrer Zeitung gerade im Kaffeehaus und werfen einen kurzen Blick über den Zeitungsrand zu Ihrem Nachbarn.

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