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Shylock tiefgekühlt

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(Burgtheater, Wien; „Der Kaufmann von Venedig“ von William Shakespeare) Es gelang Peter Zadek, das Stück vom Juden Shylock, der seine Rache will und auf seinem Schuldschein und dem Recht auf ein Pfund Fleisch aus der Brust jenes Antonio besteht, der ihn bespuckte und dann um ein Darlehen anging, anders zu inszenieren als alle vor ihm. Aber um welchen Preis!

Er setzt auf Aktualisierung und Unterhaltungswert. Die Shylock-Handlung läßt er vor einem Bankgebäude spielen, irgendwo zwischen Düsseldorf, Mailand und Wallstreet. Leider geht im Bermuda-Dreieck des Kapitals der Mensch Shylock verloren. Übrig bleibt ein tiefgekühlter Insider des Geldgeschäfts, den eine nicht mehr ganz nachvollziehbare Unbill zum Neurotiker gemacht hat, der sich hinter Kälte und Glätte versteckt, ein Shylock, der jetzt und hier nichts einsichtig macht. Ohne Gert Voss in dieser Rolle wäre die Aufführung eine Katastrophe. Gert Voss berührt, läßt den verachteten, bespuckten Außenseiter erahnen, aber seine Kälte reduziert die Ambivalenz und zuletzt die Fallhöhe, mit der Shakespeare den Juden, der zuletzt auf der Strecke bleibt, ausgestattet hat.

Der Rest ist mondänes, etwas verkrampft unterhaltsames Regietheater, angereichert mit müden Kalauern und rheinischen Karnevals-Gags, die poetische Dimension der Liebesgeschichte zerflattert. Eva Mattes überzeugt als Portia, Ignaz Kirchner bleibt als Antonio etwas blaß, Wiebke Frost (Nerissa) spielt ein zeitweise nervtötendes Stück Quecksilber.

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