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Digital In Arbeit

Slow Statt fast

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Ein Trend kehrt sich um. Statt fast heißt es jetzt slow. Langsam ist die Devise.

Haben Sie es schon gemerkt, die ersten Langsamgeher sind unter- wegs. Nein, nicht übermüdete Pen- sionisten, sondern quicke und smarte Endzwanziger sind es, die sich auf den Langsamtrip einge

schworen haben. Und das nicht nur beim Gehen.

Auch das Slow-Food ist en vo- gue. Nicht schnell irgendwo einen Stehimbiß wie die Amerikaner hinunterwürgen, nein, gemütlich und langsam genießen wie die Fran- zosen.

Jeden Bissen fünfmal umdrehen im Mund, Zeit lassen, nichts als Zeit lassen, - genießen, nichts als genießen.

Die Langsamdevise gilt natürlich auch bei der Arbeit. Nur keinen Streß, nur keine Hast, alles gemäch- lich und mit der Ruhe. Ein Klima der Behaglichkeit strahlen solche Slow-Büros aus, daß man sich bei- nahe losreißen muß nach Büro- schluß.

Natürlich hat sich auch schon die Computerindustrie auf den Slow- Trend umgestellt. Die ersten Slow- Computer gehen bereits in Produk- tion. Sie zeichnen sich, wie der Name schon sagt, durch Langsam- keit und Beschaulichkeit aus. Hat man ihnen einmal Befehle eingege- ben, dann kann man sich in Ruhe zurücklehnen und den Slow-Ef f ekt genießen.

Wozu hasten, wenn es langsam genau so geht.

Es ist wohl selbstverständlich, daß sich auch der Verkehr dem Slow-Trend anschließt. Slow-Au- tos, Slow-Räder, Slow-Busse, Slow- Züge und sogar Slow-Flugzeuge sind die logische Konsequenz

Das Bild auf den Straßen ist bei- nahe biedermeierlich. Viele schlen- dern, einige wandeln und manche stehen sogar. Ein Bild des Friedens und der Gemächlichkeit.

Aber nicht nur das öffentliche Leben ist im Begriffe, sich auf lang- sam umzustellen, auch das private, ja sogar das privateste kann sich diesem Zug der Zeit nicht verschlie- ßen. In der Liebe dominiert wieder die zärtliche Langsamkeit. Stun- denlanges Händchenhalten wech-

seit mit geduldigem Fußein. Die verliebten Blicke sind andauernd, und so ein Dinner bei Kerzenschein kann endlos dauern.

Wo man hinschaut, überall das- selbe, die Devise heißt langsam. Sogar die Börse ist ein Ort der Geruhsamkeit und Besinnung. Und vor den öffentlichen Bedürfnisan- lagen der Großstädte bilden sich geduldige Menschenschlangen.

Nur eine Spezies Mensch scheint den neuen Trend zur Langsamkeit verschlafen zu haben, die Eisver- käufer. Sie allein sind darauf be-

dacht, ihre gefüllten Eistüten so schnell wie möglich an die Frau oder den Mann zu bringen, bevor die Sonne ihr Vernichtungswerk beginnt.

Solange das hitzebeständige Eis noch nicht erfunden ist, wird dieser Branche der Slow-Trend wohl oder übel verschlossen bleiben. Aber bitte, diesen Verlust jholen unsere trainierten Super-slow-Beamten spielend ein. Ein Ablagefach mehr auf jedem Schreibtisch, und der Eisverkäufermalus ist mehr als ausgeglichen.

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