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Soziologie Universalwissensdiaft ?

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Während der Unruhen in den bundesdeutschen Universitäten ist die Soziologie zur meistgenannten Wissenschaft geworden. Soziologen von Rang protestierten gegen den Versuch, einen Zusammenhang ihrer Wissenschaft mit jenen Unruhen herzustellen, und sahen in der Berufung auf sie einfach Ignoranz hinsichtlich dessen, was die Soziologie wirklich ist und zu bieten vermag. Immer noch besteht weithin die Ansicht, Soziologie sei eine Universalwissenschaft, der eine alle übrigen Sozialwissenschaften überragende, ja ihre Kompetenz absteckende Autorität zukomme. Noch mehr als schon immer, wird man daher an soziologische Literatur die Frage nach ihrer Methodik richten, durch die sie sich als Wissenschaft zu legitimieren weiß, die sich über ihre Forschungsgebiete, ihre Verfahrensweisen, über Reichweite und Grenzen der ihr möglichen Erkenntnisse, über die für sie maßgebenden Begründungszusammenhänge Rechenschaft gibt. Ein solches' wissenschaftliches Verantwortungsbewußtsein ist der durchgehende Eindruck des Lesers, der Professor Burghardt in seiner Einführung in die allgemeine Soziologie folgt. Eine Einführung will das Buch sein, gedacht als Lehrbuch für Studenten und interessierte Laien. Dem pädagogisch-didaktischen Ziel entspricht der durchsichtige Gesamtaufbau des Werkes wie der Aufbau der 16 Kapitel. Überall findet der Leser Definitionen, die. knapp und einfach formuliert, Handhaben für die erste Orientierung bieten. Aus den Kapitelüberschriften seien erwähnt: Soziales Verhalten, Steuerung des sozialen Verhaltens, soziale Konflikte, Sozialgebilde, Sozialsysteme, Macht-, Herrschafts-, Staats-, Gruppensoziologie. Sie werden behandelt als Gegenstände der „allgemeinen“ Soziologie, die der Verfasser ausschließlich bieten will. Ein außerordentlich reiches Material von Kategorien, Tatbeständen und Urteilen darüber wird geboten, immer gestützt auf eine erstaunliche Literaturkenntnis. Man bedauert, daß man nicht ausführlicher darüber berichten kann. Wie es in Fragen der Soziologie nicht anders sein kann, wird man sich bei genauer Lektüre als Wissenschaftler oft und oft Gedanken machen. Erwähnt sei, daß der Individualismus behandelt wird, nicht aber sein Gegenstück) der Kollektivismus und seine wichtigsten Formen. Durchaus zustimmen wird man Burghardts Ausführungen über die Werturteile in der Soziologie, die sehr lange Zeit in weitgespanntem Rahmen diskutiert wurden und neuerdings wieder werden. Er hebt gleicherweise die Unvermeidlichkeit von Wertunteilen hervor wie die Aufgabe des Soziologen zu ständiger Selbstkritik hinsichtlich der sein Denken bestimmenden Werturteile. Ein Personen- und Sachverzeichnis sind Hilfe für die Benützung des Buches, das für viele eine sehr willkommene Handreichung darstellen wird.

EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE SOZIOLOGIE. Von Anton Burghardt. Wiso-Kurzlehrbücher, Verlag Vahlen, München 1972, 271 Seiten.

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