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„Staatsoperette“

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Ich möchte mich nicht mit dem Ge- schmdcksproblem befassen, denn Geschmack bleibt eben immer „Geschmackssache“ (und daß es nicht der meinige ist, braucht kaum betont zu werden).

Auch nicht mit der Musik, zu der mir vielleicht ein fachmännisches Urteil zustünde. Eine Frage aber muß an die obersten Verantwortlichen des ORF gerichtet werden: War es - nachdem der historisch-politische „Nachholbedarf“ als Zweck dieser Sendung ausgegeben wurde - war es notwendig, Bundeskanzler Dr. Seipel in eine Karikatur und Witzblattfigur zu verzerren? Zwei der heute lebenden Generationen können von der Gestalt dieses großen Staatsmannes keine klare Vorstellung mehr haben; um so unfairer ist die Art dieser „Indoktrination“.

Ich hatte in meiner Jugend die Ehre, Dr. Seipel persönlich zu kennen; wir alle wissen, daß er ein Mann von unbedingter innerer Integrität und äußerer Würde war. Ob man mit seiner Politik einverstanden ist oder nicht, ob man vielleicht sogar der Ansicht sein kann, daß ein Priester sich, von diesem dubiosem Handwerk lieber fernhalten sollte, steht hier nicht zur Diskussion. Aber eine komische oder groteske Figur war Dr. Seipel keinesfalls, noch weniger ein charakterloser Politiker. Daß man ihn nun um jeden Preis dazu stempeln wollte, läßt die politische Tendenz dieses Films erkennen.

Wenn das Österreichische Fernsehen seine Meinung in derart aufdringlicher und geschmackloser Weise kundtut, darf wohl auch ein Österreicher, der diese Jahre der Ersten Republik nicht vom Hörensagen kennt, sondern aus eigenem Erleben, seine Meinung entgegensetzen, was hiemit geschehen ist.

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