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Subtiles Gift

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(Volkstheater, Wien; „Weiningers Nacht“ von Joshua Sobol) Noch wurden in Wien Juden nicht getötet, sondern „nur“ im Selbstwertgefühl getroffen. 1903 erschoß sich 23j ährig der geniale Otto Weininger in Beethovens Sterbehaus: „Weib, Jude, Ich, weg mit allem.“ Sein Buch „Geschlecht und Charakter“ ist Zeugnis des vom Vorurteil der Umgebung in die Seele geträufelten subtilen Giftes und einer eng damit zusammenhängenden Sexualneurose.

Joshua Sobol läßt den Weg in den Tod in Weiningers letzten Stunden gerafft ablaufen, ohne sich viel um historische Evidenz zu scheren. Paulus Manker hat sich Schweres zugemutet: Er spielt die voll fordernde, ihm freilich nicht mehr neue Hauptrolle und führt zugleich Regie. Die Inszenierung ist grell, schockierend, nutzt aber alle Qualitäten des Stücks, die in der Festwochen-Aufführung vor zweieinhalb Jahren untergingen.

Manker als von allen Furien gehetztem Weininger steht Andrea Eckert als bewußte Frau und Jüdin gegenüber und macht so Weiningers Obsessionen als krankhaft erkennbar. Hilde Sochor verdient als Mutter einen Hymnus, Josef in Platt (Doppelgänger) gibt der Aufführung irritierende Mehrbödigkeit, Sieghardt Rupp, Hermann Schmid überzeugen. Ein erfolgreicher Abend.

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