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Alibi für die Kulturpolitik

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(Eigenproduktion der Festwochen im Theater im Künstlerhaus, Wien; „Weiningers Nacht“ von Joshua Sobol) Was ein Land nicht selbst hervorbringt, muß es importieren. In Österreich gilt das sogar für die Selbstkritik. Unser Antisemitismus wurde nicht erst in den letzten Monaten virulent. Aber wo sind die Stücke darüber?

Das neue Stück des „Ghetto“-Autors Sobol kommt wie gerufen. Es wird gespielt, jetzt und hier, also bitte, was will man von uns? Da es aber ein Israeli geschrieben hat, bleibt uns das Ärgste erspart: uns darin zu erkennen. Sobol beschäftigt sich mit dem jüdischen Selbsthaß, verkörpert in Otto Weininger, der sich 1903 im Sterbezimmer Beethovens erschoß. Einige Monate früher war sein

Buch „Geschlecht und Charakter“ erschienen, in dem Weininger postulierte, nur der Jude stehe noch unter der Frau. Da kann sich der Herr Karl bequem zurücklehnen und freuen. Und eine unehrliche Kulturpolitik hat ihr Alibi.

Natürlich ist jüdischer Selbsthaß als Produkt des Antisemitismus ein Thema. Natürlich muß man dieses Stück spielen. Vielleicht könnte man es zupackender inszenieren als Karl Welunschek und den unglücklichen Otto Weininger weniger vordergründig spielen als Bernhard Schir. Prinzipiell: Ja zu diesem Stück. Doch es ersetzt nicht unsere eigenen Stücke über unseren eigenen Antisemitismus jetzt und hier.

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