Wenn man die sachliche und emotionslose Darstellung der Südtirolproblematik bis zum Gruber-De Gasperi-Abkommen im September 1946 des Innsbrucker Ordinarius für Zeitgeschichte, Rolf Steininger, zur Hand nimmt, muß man sagen, daß die österreichische Zeitgeschichtsforschung viel von einem .Preußen“ lernen kann.
Steiningers Buch besteht zur Hälfte aus gänzlich unbekannten Akten aus englischen, italienischen (im Anhang übersetzt wiedergegeben), Wiener und Tiroler Archiven.
Die Vorentscheidung für den Weiterbestand der Brenner-Grenze fiel schon im September 1945 auf der Londoner Außenministerkonfe-renz. Die österreichische und südtirolerische Diplomatie bestand aber bis Mitte 1946 auf dem Selbstbestimmungsrecht und der Maximalforderung einer Grenzberichtigung bis Salurn. Außenminister Karl Gruber brachte im April im geheimen den Kompromißvorschlag einer „kleinen Grenzberichtigung“ (Pustertal-Lösung) ein.
Am Ende blieb dann nur mehr die bekannte bilaterale österreichisch-italienische Regelung, die als Annex IV dem italienischen Friedensvertrag beigefügt wurde. Damit verpflichtete sich Italien völkerrechtlich, Südtirol die Autonomie zu gewähren.
Das „Autonomiegebiet“ wurde aber absichtlich vage definiert, um im italienischen Parlament damit durchzukommen.
Steiningers Kritik: Die österreichische Diplomatie hätte schon im Winter 1946 die Autonomie als „Rückzugs“-Alternative in die Verhandlungen einbringen sollen; damit hätte möglicherweise das „Paket“ von 1969 schon 1946 erreicht werden können. Der Fortbestand der Brenner-Grenze geht aber nicht auf das Konto von Karl Gruber oder Friedl Volgger, sondern auf jenes des Kalten Krieges.
LOS VON ROM? DIE SUDTIROLFRAGE 1945/46 UND DAS GRUBERDE GASPERI-ABKOMMEN. Von Rolf Steininger. Innsbrucker Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 2. Haymon Verlag, Innsbruck 1987. 405 Seiten, 33 Fotos, Ln., öS 298,-.
