Das Buch spielt in der Zeit zwi- schen 1945 und 1955, nach Peter Härtling „Jahre, in denen Anfänge versucht und verdorben wurden." Hier wird Autobiographisches er- innert, ausgelöst durch eine Herz- untersuchung, der der Patient zu- sah. Auf dem Monitor beobachtet
er gespannt, wie der Katheder, durch die Aorta geführt, sich dem Herzen näherte, bis die Sonde die Herzwand berührt. Das Ergebnis: ein „inwendiges Lachen ... ein wunderbares Lachen", das „sein Wesen und Gedächtnis verändert. Der, der ich gewesen bin, ein Kind, ein Junge, ein Mann, drängen sich nach vorn und Geschichten, die ich vergessen wollte, die ich umerzählt hatte, damit ich sie vergessen konn- te, liegen nun bloß." Und weiter: „Alle, an die ich mich in diesem Buch erinnere, habe ich in ihrer Wirklichkeit erfunden."
Das sind die Mutter, die Schwe- ster, Großmutter, Tanten, alle auf der Flucht, bis sie in dem württem- bergschen Städtchen Nürtlingen am Neckar eine Bleibe finden: die Fremden. Da ist der Mann, mit dem die Mutter „sich einläßt", den der Junge haßt, da ist die Nachricht, daß der Vater im Kriegsgefange- nenlager Döllersheim gestorben ist. Die Mutter „verschweigt es". Kurz darauf geht sie in den Freitod.
Der Junge lebt bei der Tante, „taugt zu nichts", schreibt Gedich- te, versucht, Verletzungen zu über- leben. Auch später, schon als Re- dakteur der „Heidenheimer Zei- tung" erlebt er immer wieder die unbewältigte Vergangenheit der Hitler-Diktatur. Immer wieder die Einblendung in die 13 Klinik-Tage - erneute Reflexion.
„Herzwand" ist nach Härtlings eigenen Worten eine klassische Er- zählung, Märchen, Brief-Roman, Fortsetzungs-Roman, alle diese Formen werden „durchgespielt". Alles, was Härtling schreibt, kommt von Herzen und geht zu Herzen. In seinem bisher letzten Buch erhält dieses Kommen und Münden eine vertiefte Bedeutung.
HERWAND. Mein Roman. Luchterhand Li- teraturverlag, Frankfurt 1990. 208 Seiten, öS 249,60.
