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Tabuisiert

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Ein heißes Thema treibt dem Linzer Publikum im Phoenix-Theater kalte Schauer über den Rücken. In „Kalte Hände", einer österreichischen Erstaufführung, stützt sich der Dramatiker Thomas Baum auf statistische Daten und die dahinter verborgene, tabuisierte Wirklichkeit: 500 Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder werdenjährlich angezeigt, die Dunkelziffer liegt bei bis zu 50.000,25 Prozent der angezeigten Täter sind Väter oder Stiefväter.

Diese besondere Thematik hat der Linzer Baum erschreckend echt dargestellt: Die zwölfjährige Silvia (hervorragend gespielt von Chris Pichler) ist Bettnässerin, die besorgte Mutter (Angelika Welzl) nervt den gestreßten Ehegatten (Ferri Öllinger überzeugend in der Vaterrolle), einen aufgeblähten, aber allerorts geachteten Pädagogen, Tag für Tag beim Frühstück mit diesem, seiner Meinung nach pubertären Problem.

Eines Tages zerbricht die Familienidylle: Sylvia ist schwanger. Die Mutter verzweifelt, der Vater gibt sich gefaßt, die Tochter schweigt sich über den Täter aus. Immer kleiner wird die „Geliebte", wie sie vom Vater heimlich genannt wird, sagen darf sie nichts, denn sonst wird der Vater von der Menge „gekreuzigt". Seine begehrenden Hände sind kalt, wenn er nach dem weinenden Kind greift. Einen Kreisel als Sinnbild ihrer Kindheit zurückdrehend verläßt Silvia für immer gezeichnet als junge Frau den Raum.

Betroffenheit und Beklemmung, sekundenlanges Schweigen des Publikums, heftiger Applaus für die Schauspieler und Regisseur Michael Gampe.

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