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Titelironie

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„Das Dürrenmatt Lesebuch" wählt einen Auserwählten aus, der alles, nur kein Lesebuch-Autor war, ein Schweizer, der die notorische Biederkeit dieses Volkes mit herzlichem Spott durchschaute, nicht nur die Welt der Schweizer, sondern die Schweizer in aller Welt: Pastorensohn, Agnostiker, aber Pastorenvater. Unter vielen Ehrungen wurden ihm drei Schillerpreise zuerkannt, nach einem Autor benannt, den er mit großem Respekt ablehnte und in einer Dankrede mit Brecht verglich, bei dem er auch nur die Begabung bewunderte, nicht das Werk.

Die köstlichen Kostproben dieser Anthologie stellen einen totalen und unerbittlichen Skeptiker vor, der niemals zynisch wurde. Er gab zu, daß man der Welt einen Sinn geben müsse, den sie nicht hat, weil ein sinnloses Leben nicht auszuhalten wäre. In allen literarischen Sparten war dieser Fremdling zu Hause, doch „kann ich nur zu jenen reden, die bei Heidegger einschlafen". Er wunderte sich, daß ein Stück „von Hofmannsthal mehr gilt als eines von Nestroy und ein Richard Strauss mehr denn Offenbach".

Freilich, zitieren genügt in diesem Fall nicht, man muß die Lektüre ganz genießen; denn das Lesebuch liest sich wie neu: besonders wenn man alles schon kannte, weil es aus allen Dürrenmatt-Motiven glänzend komponiert wurde.

DAS DÜRRENMATT LESEBUCH. Herausgegeben von Daniel Keel. Diogenes Verlag, Zürich 1991. 482 Seiten, öS 131,-.

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